Der Buhmann

Kanzlerbrief-Debatte: SPD-Bundestagsabgeordneter Volker Kröning über Vorwürfe, er würde nicht die Interessen Bremens vertreten

Bremen/Berlin taz ■ Auf ihrer Klausurtagung am Wochenende hatte sich die CDU unter anderem mit Inbrunst einem ihrer derzeitigen Lieblingsthemen gewidmet: dem Zetern über den vermeintlich nicht eingelösten „Kanzlerbrief“ im Allgemeinen und über den SPD-Bundestagsabgeordneten Volker Kröning im Besonderen. „Kritiklos“ stehe der hinter der Position von Finanzminister Hans Eichel (SPD), anstatt die bremischen Interessen zu vertreten, hatte Fraktionschef Jörg Kastendiek moniert. Die taz konfrontierte Kröning gestern mit diesen Vorwürfen, die man mitunter auch aus der Bremer SPD vernimmt.

taz: Was sagen Sie zu dem Vorwurf der CDU, Sie würden statt den Interessen Bremens die von Hans Eichel vertreten?Volker Kröning: Ich sage dazu gar nichts. Die Bremer CDU sucht nur einen Buhmann für ihre Versäumnisse. Die Konsequenzen aus der Ernüchterung über das Sanierunsgprogramm hätten längst gezogen werden müssen.

Bürgermeister Scherf plauderte jüngst aus, dass der Kanzlerbrief nur ein Deal zwischen ihm und dem Kanzler gewesen sei, Finanzminister Eichel sei gar nicht dabei gewesen. Das würden auch alle so sehen – außer Volker Kröning...

Der Kanzlerbrief ist im Jahr 2000 zwischen dem damaligen Chef der Bremischen Landesvertretung, Erik Bettermann, der Parlamentarischen Staatssekretärin im Finanzministerium, Barbara Hendricks, und Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier ausgehandelt worden. Ich habe den Brief immer als eine „Good Will“-Erklärung bezeichnet, die größtenteils durch die Finanzreform 2001 eingelöst worden ist. Im Übrigen war und ist er für große Bremer Ressortprojekte von Bedeutung, die das Land alleine nicht schultern kann und die schwer im Bundeshaushalt unterzubringen sind.

Aber es gab doch sicher ein Spitzengespräch zwischen Bürgermeister Scherf und Bundeskanzler Schröder?

Das Ergebnis hat der Kanzler den Bürgermeistern Scherf und Perschau schriftlich zugestellt.

Hat sich seit dem personellen Wechsel an der Spitze des Finanzressorts das Verhältnis zwischen Bremen und der Bundesregierung etwas verbessert?

Mehr als nur etwas: sehr. Ich hoffe, dass die Klimaverbesserung auch Auswirkungen auf die Mitwirkung Bremens an den Strukturreformen im Bund hat. Damit meine ich besonders die Arbeitsmarkt- und die Gemeindesteuerreform. Dies würde sich auszahlen.

Bürgermeister Scherf sagt, er setze auf die Zusage des Kanzlers, dass Einnahmeausfälle aufgrund der Steuerreform durch den Bund kompensiert würden. Die Bundesregierung antwortet: „Eine Fortsetzung der Sanierungshilfen über 2004 hinaus kommt nicht in Betracht.“ Wie kann man diesen Widerspruch auflösen?

Da gibt es nichts aufzulösen. Die Aussage stand schon im Gesetz über die „Zweite Tranche“ der Sonderzuweisungen des Bundes von 1999, dem Bremen leider ohne Vorbehalt zugestimmt hat. Und sie steht in jeder Antwort, die von der Bundesregierung seither zum Thema Kanzlerbrief gegeben wird.

Wie könnte sich die jüngste Klage des Landes Berlin vor dem Bundesverfassungsgericht auf die Kanzlerbrief-Debatte auswirken? Sollte Bremen dieser Klage beitreten?

Dazu habe ich keinen Rat zu geben. Bremen muss sich in jedem Fall dazu äußern. Der Normenkontrollantrag wird allen Bundesländern zugestellt, und innerhalb dieses Verfahrens werden sich alle Länder äußern.

Was halten Sie von der Idee des Ex-Finanzstaatsrats Günther Dannemann, einen externen Gutachter mit einer „Exegese“ des Kanzlerbriefs zu beauftragen?

Dies würde nicht weiterführen. Der rechtlich-politische Anspruch Bremens ergibt sich aus dem „bündischen Prinzip“, das das Bundesverfassungsgericht 1992 klargestellt hat, und ist beim Bundesgesetzgeber geltend zu machen. Das sind bekanntlich der Deutsche Bundestag und – als Mitwirkungsorgan der Länder – der Bundesrat. Die Rechtsgrundlage für die Abwendung oder die Überwindung einer extremen Haushaltsnotlage findet sich seit 2001 im Maßstäbegesetz, das fast einstimmig in beiden Häusern verabschiedet worden ist. Interview: jox