Kommentar: Amoklaufende Sozialdemokraten
: Gescheiterter Ausbildungspakt

Allen Wahlkämpfen zum Trotz: Führende Sozialdemokraten haben sich offenbar zu einem Amoklauf gegen breite Teile der Bevölkerung entschlossen. Bundeskanzler Gerhard Schröder legt mit seinem Vorwurf der „Mitnahmementalität“ vieler Bezieher staatlicher Leistungen vor, sein Wirtschaftsminister Wolfgang Clement zieht bei seiner Ausbildungstour durch Nord–rhein-Westfalen nach: Zu Beginn des Ausbildungsjahres fehlen über 30.000 Lehrstellen – dennoch ist die „Ausbildungspakt“ genannte freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie zur Schaffung von Lehrstellen ein Erfolg, glaubt der Arbeitsminister.

Wer nicht vermittelt werden kann, dem mangelt es am Willen zur Qualifikation, so Clements schlichte Logik. Das soll künftig sanktioniert werden: Öffentlich träumt Clement bereits von weiteren Sozialkürzungen, von einer bargeldlosen Auszahlung „nur in Naturalien“ auch für ältere Arbeitslose.

Eine Unverschämtheit, doch zeigt sie wie Schröders Ausfälle die Verzweiflung, den tiefen Frust der Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung: Aller Arbeitgeberfreundlichkeit zum Trotz schwächelt die Konjunktur, kommt die entscheidende Binnennachfrage nicht in Schwung. Nötig wäre natürlich ein Umsteuern – hin zu mehr sozialer Sicherheit, die Vertrauen in die Zukunft schafft und so die Nachfrage stimuliert. Einräumen werden Clement und Co. das aber niemals – zu tief sitzen die neoliberalen Glaubenssätze, zu schwer wiegt die Angst vor der Kursänderung. Quittiert wird bei den Wahlen. ANDREAS WYPUTTA