Moscheen auf christlicher Erde

Protest gegen Minarette und Kuppeln: Sobald sich Muslime mit ihren Gotteshäusern aus den Hinterhöfen wagen, hagelt es meist fadenscheinige Beschwerden von Anwohnern. Dabei ist der Islam keine Religion zweiter Klasse

Von Kai Schöneberg

Über Nacht hat jemand 13 Kreuze auf dem unscheinbaren Grundstück in Hannover-Schwarze Heide aufgestellt. Alle trugen die Aufschrift: „Terra christiana est“. Trotz der unheimlichen Drohung mit der „christlichen Erde“ besteht längst Baurecht für das muslimische Gotteshaus, dass die Ahmadiyya-Gemeinde im Rahmen ihres 100-Moscheen-Programms hier errichten will.

Dennoch klagen die Anwohner gleich mehrfach gegen das Projekt. Ob in Wolfsburg, Achim oder Hamburg: Trotz 3,1 Millionen Muslimen in Deutschland finden Nachbarn immer wieder fadenscheinige Argumente, um gegen Neubauten vorzugehen. Motto: „Ich hab nichts gegen Moscheen – aber bitte nicht vor meiner Haustür“. Es gebe kaum Einwendungen gegen in Hinterhöfen oder Profanbauten versteckte Gebetshäusern, sagt Christoph Dahling-Sander, Islambeauftragter der Evangelischen Landeskirche Hannover. „Aber sobald das Fremde durch eine Moschee baulich zementiert wird, hagelt es Probleme.“

So auch in Göttingen: „Wir tolerieren das Tragen orientalischer Kopftücher und Schleier, ebenso den Islamunterricht in Schulen – aber nicht in Deutschland“, wettert die NPD-Jugendorganisation auf ihrer Homepage über Pläne des türkisch-islamischen Kulturvereins DITIB, in der Stadt eine Moschee zu bauen. Ein FDP-Beirat stellte sich fast auf die gleiche Stufe, indem er forderte, das mit Wohnungen und Läden ausgestattete Gebetshaus im Industriegebiet zu errichten. Genau das hält Dahling-Sander für den falschen Weg: „Der Islam ist keine Religion zweiter Klasse: Die Moscheen müssen rein in die Stadt. Nur so ist Integration möglich“. Dahling-Sander führt das gelungene Beispiel Mannheim an. Dort wurde eine Moschee direkt neben einer Kirche in der City gebaut: „Mit dem Foto beider Gotteshäuser nebeneinander macht die Stadt inzwischen Werbung.“

Viele Göttinger sehen das anders: Anwohner sammelten über 200 Unterschriften gegen die Moschee. Ein Sprecher der Anwohner befürchtet, „dass wir künftig freitags keine Freunde von außerhalb einladen können, weil es keine Möglichkeit zum Parken gibt“. Ein anderer Nachbar geht weiter: „Eine Moschee zu bauen ist größenwahnsinnig, die zieht Leute von überall her an“. Überhaupt: ein Minarett gehöre nicht nach Göttingen, „das passt wunderbar nach Marokko oder Tunesien“.

Nachdem die DITIB-Leute auf eins der zwei geplanten Minarette verzichteten und mehr Parkraum zur Verfügung stellten, scheint inzwischen sicher, dass das Projekt in Göttingen baurechtlich genehmigt wird. In Hannover mussten die Ahmadiyya-Leute ihr 18 Meter hohes Minarett sogar so bauen, dass niemand nach oben steigen kann. Dennoch flauen die Klagen der Bewohner nicht ab. „Das sind faschistisch angehauchte Scharfmacher. Da können wir doch nicht kuschen“, sagt Hadayatullah Hübsch, der im hessischen Schlüchtern „viel schlimmere Erfahrungen gemacht hat“. Die Moschee werde kommen, sobald die Gerichtsverfahren abgeschlossen seien.

Der Islam-Beauftragte Dahling-Sander rät weiteren Bauwilligen, im Vorfeld so viel wie möglich zu informieren. Das hätten die Ahmadiyya-Leute zunächst nicht gemacht. Aber: „Gegen Betonköpfe kann man auch mit Vorträgen wenig ausrichten“. Immerhin: Es gibt auch gute Erfahrungen mit dem Bau von Moscheen in Deutschland. In Brinkum bei Bremen wollen die Ahmadiyyas im November einen achteckigen Neubau mit 15 Meter hohem Minarett einweihen. „Die haben uns sogar gefragt, wann wir endlich fertig sind“, sagt Architekt Sahid Gessler. Der Standort: Ein Gewerbegebiet an der Autobahn. Brinkum wird künftig zur religiösen Multikulti-Location. Auch ein 600 Quadratmeter großer Hindu-Tempel hat im Sommer die Genehmigung erhalten.