Union will mit Wormuth aufsteigen – 2006

Fußball-Regionalliga: Nach dem 0:2 gegen Paderborn steht Union Berlin auf einem Abstiegsplatz. Und Präsident Zingler stärkt Trainer Wormuth. Erstens sieht er eine „Entwicklung“. Zweitens verkündet er „eine neue Vereinskultur“

Wackelt der Trainer noch oder kippt er schon? Sorgfältig fixierten am Samstag Medienvertreter und Fans jede Regung von Frank Wormuth nach dem Abpfiff im Stadion „Alte Försterei“. Gerade hatte das von ihm betreute Team des 1. FC Union in der Fußball-Regionalliga mit 0:2 gegen Paderborn verloren. „Wir sind am Boden des Tales angelangt. Jetzt kann es nur noch aufwärts gehen. Und es wird aufwärts gehen“, versprach ein sichtlich angeschlagener Wormuth nach der fünften Punktspiel-Niederlage in Folge. Selbst Paderborns Übungsleiter Pavel Dotchev empfand Mitgefühl mit dem Kollegen. „Ein Trainer steht permanent unter Druck. Ich wünsche ihm alles Gute“, sagte der Bulgare.

Jeder Treffer der Westfalen transformierte die positiven Vibrationen, die Wormuth nach gutem Saisonstart bei Zweitliga-Absteiger Union entgegen schlugen, in negative Schwingungen. Als der Berliner Spielmacher Catic am Samstag beim Stand von 0:1 einen Foulelfmeter verschoss, waren die Fans zu geschockt, um ihre Mannschaft gellend auszupfeifen. „Der Catic hat doch Angst, dem muss man ans Geld“, brüllte ein entnervter Anhänger in das Stadionrund.

Was hatte Wormuth, 44, nicht alles ausprobiert, um in die Erfolgsspur zurückzukehren: Er versuchte sich als Psychologe, der die Versagensängste seiner Spieler hinterfragen und therapieren wollte. Zuletzt schwenkte er gar auf die Harte-Hund-Linie um. „Der Ton bei uns wird rauer“, drohte der Trainer. Geholfen hat es nichts.

War’s das für Wormuth, muss der gebürtige Berliner nach nur neun Spieltagen seinen Arbeitsplatz räumen? „Es wird keine Panikreaktion gegen“, antwortete Dirk Zingler. Unions Präsident konnte sich wochenlang auf diese spontane Stellungnahme vorbereiten. Zwar kann man auch in aller Ruhe einen Trainer vor die Tür setzen. Aber das Beharrungsvermögen, mit dem Zingler argumentierte, ließ die Vermutung aufkommen, der Mann könnte es ernst meinen.

„Die Niederlagen überraschen mich nicht“, erklärte der Unternehmer und lieferte die Begründung gleich mit: „Wir haben eine junge Mannschaft, die sich erst noch finden muss. Mit diesem Trainer und diesem Spielermaterial werden auch wir wieder siegen.“

Zingler, 40, wehrte sich gegen den Eindruck, seine Geduld sei lediglich vorgetäuscht und eine von vielen Floskeln in der Hire-and-fire-Branche. „Sie reden mit dem neuen Präsidenten von Union. Wir haben eine neue Vereinskultur“, verkündete er in fast staatsmännischem Tonfall.

Erlebt hat man in Köpenick in den letzten Jahren schon vieles. Aber Geduld mit einem angeschlagenen Trainer? Vor einem Jahrzehnt wurden die Herren Übungsleiter Frank Engel und Hans Mayer nacheinander gekantet, obwohl sie Spitzenplätze belegten.

Über Wormuth-Vorgänger Mirko Votava saß die Chefetage im Frühjahr ausgerechnet nach dem höchsten Saisonsieg (3:0 gegen Aue) zu Gericht. Erst der Aufsichtsrat konnte den „abschussbereiten“ Zingler-Vorgänger Jürgen Schlebrowski überzeugen, dass ein Trainerrauswurf kaum zu vermitteln wäre. Beim nächsten Durchhänger in der Tabelle war Votava dann doch fällig.

„Votava konnte die Mannschaft für zwei Spiele motivieren. Bei Wormuth erkennt man die Entwicklung der Mannschaft“, analysierte der aktuelle Ober-Eiserne. Zingler plante am Sonnabend schon den nächsten Höhenflug mit dem angeknockten Trainer. „Wir wollen nächstes Jahr mit Wormuth aufsteigen. In dieser Saison geht’s nur um den Klassenerhalt.“

Was schwer genug fallen dürfte: Denn nach der Niederlage gegen Paderborn rutschten die Unioner auf den 17. Tabellenrang ab. JÜRGEN SCHULZ