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Mit einem 95:69-Sieg gegen die Ukraine sichern sich Deutschlands Basketballer die EM-Teilnahme und stellen dabei erfeut fest, dass nicht nur Superstar Dirk Nowitzki in den Korb treffen kann

AUS NÜRNBERG JOACHIM MÖLTER

Mit seiner neuen Ultrakurzfrisur und den dadurch offenbarten lichten Stellen inmitten des dunklen Haarkranzes sieht der Basketballprofi Denis Wucherer neuerdings aus wie ein Mönch, und am Samstagnachmittag benahm er sich auch wie einer. Er ging in sich, bereute und beichtete: „Ich habe mich manchmal ertappt, dass ich dem großen Blonden nur zugeschaut habe in den ersten drei Spielen“ der EM-Qualifikation. Sogar ein Routinier wie der 31 Jahre alte Wucherer kommt also nur schwer aus dem Staunen heraus über über Dirk Nowitzki – selbst wenn er neben ihm auf dem Parkett steht wie beim 95:69 (42:32) über die Ukraine in Nürnberg. Es war der vierte Sieg im vierten Spiel der Qualifikationsrunde und für manche eine Art Offenbarung. Wucherer jedenfalls gelangte zu der Erkenntnis: „Man darf nicht vergessen, dass man auch selbst spielen kann.“

In der zweiten Halbzeit kam ihm diese Erleuchtung, und weil es den meisten Kollegen anscheinend ähnlich erging, ergab sich eine flotte Partie. Die deutschen Basketballer dehnten ihren Vorsprung einmal sogar auf 35 Punkte aus (34. Minute), wobei Dirk Nowitzki (19 Punkte) im letzten Viertel seinen Mitspielern von der Bank aus zuschauen durfte. Er sah, wie selbst den Ersatz-Centerspielern Stephen Arigbabu und Jan-Hendrik Jagla Dreier gelangen, und weil ausnahmslos jeder aus der Nationalzwölf punktete (am meisten Ademola Okulaja mit 21), resümierte Trainer Dirk Bauermann: „Das war unser bestes Offensivspiel. Das hatte Rhythmus, der Ball lief gut, die Leistung stimmte, das Resultat stimmte.“ Und die EM-Teilnahme 2005 war auch gesichert, zwei Spieltage vor Schluss der Qualifikation.

Damit wäre im Grunde auch die Mission von Dirk Nowitzki beendet. Der NBA-Profi wollte nur so lange im DBB-Team mitspielen, bis die Qualifikation geschafft war; schließlich muss er Ende September wieder in USA, um sich mit seinen Mavericks auf die Saison vorzubereiten. Aber weil’s gerade so schön ist und die Mannschaft endlich in Schwung, entschloss sich Nowitzki am Samstag, noch eine Partie dranzuhängen. „Es gefällt ihm so gut in dieser Mannschaft“, bestätigte Bauermann, und außerdem geht es am Mittwoch in Budapest gegen Ungarn auch noch um etwas: den Gruppensieg und möglicherweise eine bessere Position in der Setzliste für die EM-Auslosung.

Nach dem Erfolg über die Ukraine bilanzierte Bundestrainer Bauermann zwar: „Wir wissen jetzt, dass wir gut genug sind, auch ohne Dirk die letzten beiden Spiele zu gewinnen.“ Aber: „Es ist auch klar, dass wir uns leichter tun mit ihm.“ Am kommenden Samstag endet die Qualifikation mit dem Spiel gegen Belgien in Charleroi, dann hat das Nationalteam fast ein Jahr Pause bis zur EM-Vorbereitung. Denis Wucherer glaubt: „Wir werden dann an einem ganz anderen Punkt anfangen. Was wir uns in diesem Sommer erarbeitet haben, bleibt in den Köpfen.“ In diesem Sommer ging es quasi ums Kennenlernen, weil Dirk Bauermann den Finnen Hendrik Dettmann als Bundestrainer abgelöst hat. Wucherer glaubt, dass die Mannschaft schon begriffen hat, wie sich Bauermann das Spiel vorstellt; er unterscheidet sich ja doch sehr von seinem Vorgänger: „Dettmann lässt die Spieler eher selbst die Entscheidungen treffen“, sagt Wucherer, „bei Dirk ist klar, dass er das Sagen hat.“ Und Dirk Bauermann sagt: „Diejenigen, die jetzt dabei waren, haben sicher einen Vorsprung“, wenn es darum geht, sich für die EM 2005 zu empfehlen.

Es ist allerdings so, dass doch einige etablierte Nationalspieler gefehlt haben: aus Verletzungsgründen die etatmäßigen Spielmacher Mithat Demirel oder Pascal Roller zum Beispiel, auch Center Robert Maras. Marko Pesic hat sich einfach so eine Auszeit gegönnt. Insofern muss Bauermann im nächsten Sommer vielleicht doch wieder weiter vorne anfangen als ihm lieb ist. „Im nächsten Jahr kann der Konkurrenzkampf vor der EM noch größer werden“, glaubt Wucherer, aber für die Mannschaft könne das nur von Vorteil sein: „Wir haben ja heute gesehen, dass wir am Ende munterer spielen, weil wir mehr durchwechseln können.“ Und vor allem haben sie gesehen, dass sie den Ball nicht nur zu Dirk Nowitzki befördern müssen, sondern ihn auch selbst in den Korb werfen können.