Der Chef muss schweigen

Auch das Spiel zwei nach Jupp Heynckes gewinnt Schalke 04, diesmal in der Bundesliga und mit 3:2 gegen die Borussia aus Mönchengladbach. Trainer Eddy Achterberg bekommt davon Hühnerfell

AUF SCHALKE MARTIN TEIGELER

Unter Rudi Assauer „Chef“ zu sein, ist kein einfacher Job. „Eddy, jetzt rede ich, und du bist ruhig“, kanzelte der Schalke-Manager seinen Angestellten Eddy Achterberg bei der Pressekonferenz nach Spielende ab. 3:2 hatte der S 04 das erste Ligaspiel nach der Entlassung von Jupp Heynckes gewonnen, weshalb Assauer den großen Auftritt umso mehr genoss. „Eddy ist der Chef“, sagte Assauer über die Beförderung des Ex-Kotrainers Achterberg zum vorläufigen Übungsleiter. Wer auf Schalke wirklich das Sagen hat, verriet ausgerechnet Achterberg. Auf die Frage eines Journalisten, ob denn der Manager bei der Mannschaftsaufstellung mitgeredet habe, wippte der Niederländer zustimmend mit dem Kopf. Assauer beteuerte derweil wortreich seine angebliche Nichtzuständigkeit für Taktik und Spielerauswahl.

Für das Heimspiel gegen die Borussia aus Mönchengladbach bot „Chef“ Achterberg die gleiche Elf auf wie beim 5:1-Sieg im Uefa-Cup über Liepajas Metalurg, nur der rot gesperrte Ailton fehlte. Binnen 48 Stunden hat sich auf Schalke eine neue Mannschaft gefunden. Statt der Heynckes’schen Dreier- spielen die Königsblauen nun mit einer Viererkette. Urplötzlich ist der dänische Angreifer Ebbe Sand wieder fit und torgefährlich. Schönen Fußball bekamen die 61.524 Zuschauer in der ausverkauften Arena gleichwohl nicht zu sehen. Zu schwerfällig wirkte die Schalker Spieleröffnung, zu kompliziert erschienen die Passversuche des abermals enttäuschenden Spielmachers Lincoln, zu unsicher die Innenverteidigung um Marcelo Bordon.

Doch wie jede Profimannschaft, die gerade einen ungeliebten Trainer weggemobbt hat, wollten die Schalker trotz aller Widerstände gewinnen. Was unter Heynckes zuletzt selten zur Praxis kam, wurde am Samstag kollektiv verrichtet: kämpfen, grätschen, „Moral“ zeigen. Zweimal kamen die Gelsenkirchener am Samstag ins Spiel zurück, zwei Rückstände egalisierten sie gegen torgefährliche, aber unkonzentrierte Gladbacher. Bernd Korzynietzens frühes 1:0 per Distanzschuss entwertete der junge Christian Pander mit einem direkt verwandelten Freistoß. Auch Neuvilles erneute und abermals aus der Ferne erzielte Borussen-Führung zu Beginn der zweiten Halbzeit glich Varela aus. Ebenfalls über die schwache linke Abwehrseite der Borussen schaffte Schalke den Siegtreffer: Sands Stampede durch den Gladbacher Strafraum hatten die Zieges und Strassers nichts entgegenzusetzen.

„Schalke hat ein nicht allzu gutes Spiel nicht unverdient gewonnen“, grantelte Gladbachs Trainer Holger Fach und legte seine hohe Stirn in Falten. Heimtrainer Eddy Achterberg dagegen präsentierte sich als aufgedrehte Frohnatur. „Ich bin da sehr, sehr froh mit“, jubelte der 55-jährige Holländer über das „ganz, ganz schöne Spiel“. Einem Reporter zeigte er seine Gänsehautstimmung am eigenen Leib: „Kuck hier, Hühnerfell!“

Über Jupp Heynckes sprach in der Arena schon niemand mehr. „Die Sache ist jetzt vorbei“, brachte Ebbe Sand die abgehakte Freisetzung des einstigen Hoffnungsträgers auf den Punkt. Während die Spieler nach vorn schauen, rangelt die Schalker Führungsebene um Posten im auch finanziell angeschlagenen Verein. Der ehemalige S 04-Spieler Olaf Thon, derzeit Trainer-Azubi mit viel Freizeit, hatte sich unter der Woche für eine Aufgabe im Club beworben. „Die Zeit ist reif. Ich möchte eine verantwortliche Position übernehmen; ob als Trainer oder Manager, ist egal“, so Thon. Assauer hatte den erfolgreichsten Schalker Spieler nach dem Zweiten Weltkrieg daraufhin abgekanzelt wie einen Schuljungen. Er sei enttäuscht von Thon, so Assauer gereizt: „Ich habe ihn schließlich als A-Jugendlichen gefördert.“ In den nächsten Wochen will Assauer entscheiden, „ob und wie“ Thon in das Management eingebunden werde. Basta.

Die Fans akzeptieren Assauers Rolle als Alleinherrscher. Nach zwei Siegen in zwei Tagen sind kritische Transparente wieder eingepackt worden, Pfiffe gegen den Manager sind tabu. Die aktuelle Krise hat der Boss genutzt, um seine Herrschaft durch einsame Beschlüsse zu festigen. „Eddy bleibt erst mal. Es wird keinen Schnellschuss geben“, schloss Assauer eine rasche Trainerverpflichtung aus. Das neue Konstrukt in der sportlichen Leitung mit dem abhängig beschäftigten Achterberg als offizieller „Chef“ passt perfekt in das System Assauer. Wenn es nicht klappt mit Achterberg, wird der große Macher einfach eine neue Notverordnung erlassen.