Patentierter Profit

Firmen dürfen nach EU-Recht Computerprogramme nicht patentieren. Doch die Industrie macht immer mehr Druck

Die Heinrich-Böll-Stiftung will vorausdenken, was die Grünen nachher in der Politik machen sollen. Völlig zu Recht setzt sie deshalb regelmäßig das Internet auf ihre Tagesordnung, geradezu vorbildlich war ihre Unterstützung des UNO-Gipfels über die Informationsgesellschaft im letzten Herbst. Ein harter Job, vor dem sich die Denkfabriken aller anderen deutschen Parteien gedrückt haben, weil sich kaum jemand in Deutschland dafür interessiert hat. Mit den wirklich entscheidenden Fragen der Globalisierung lässt sich kein Wahlkampf führen.

Aber die Böll-Stiftung lässt nicht locker. Letzte Woche hat sie Fachleute in Berlin unter dem leider etwas wolkigen Titel „Open Innovation“ zwei Tage lang über ein ebenfalls globales Problem diskutieren lassen, das ebenfalls fast niemanden interessiert, nämlich darüber, ob und in welchem Ausmaß auch Computerprogramme unter das Patentrecht fallen können oder dürfen.

Die Frage ist von allergrößter außenpolitischer und wirtschaftlicher Brisanz. Nach Meinung der amerikanischen Computerindustrie und ihrer weltweiten Lobbyisten ist sie längst entschieden: Programme für Computer gehören ausschließlich der Firma, die sie entwickelt hat. Irreführenderweise wird dieser Anspruch aus dem Begriff des „geistigen Eigentums“ abgeleitet, denn natürlich geht es nicht um den Geist, sondern um den Sonderprofit, der mit dem patentrechtlichen Ausschluss der Konkurrenz erzielt werden kann. Mit beinahe revolutionärem Mut hat letztes Jahr das Europaparlament dagegen entschieden: All die schlauen Algorithmen, mit denen wir unsere Kommunikationsmaschinen steuern, sollen wissenschaftliche Erkenntnisse bleiben, die das geistige Eigentum der ganzen Menschheit sind.

Niemand darf davon ausgeschlossen werden. Nicht zuletzt der grüne Computerlaie Daniel Cohn-Bendit hatte sich für dieses alteuropäische Prinzip der Aufklärung eingesetzt, aber die Macht des Europaparlaments ist begrenzt. Die Kommission der EU drängt auf eine Revision seines Beschlusses, und die Regierungen der Mitgliedsländer stehen unter Dauerfeuer der Industrielobby. Sie müssen sich bald entscheiden.

Das weiß auch die Böll-Stiftung, ihre Mutterpartei sitzt in der deutschen Regierung. Deswegen hat sie den grünen Vorstandssprecher Reinhard Bütikofer zur Abschlussdiskussion auf das Podium eingeladen. So stand es zumindest im Programm. Aber Reinhard Bütikofer kam nicht. Mit der Frage, wem der wissenschaftliche Fortschritt gehört, ein paar wenigen Konzernen oder uns allen, lässt sich nun mal kein Wahlkampf führen. Da kann die Böll-Stiftung reden, so viel sie will.NIKLAUS HABLÜTZEL