In der Schmollecke

600 Metaller versuchen beim Gewerkschaftstag in Hannover die Rückkehr in die Normalität

Hannover taz ■ Gestern morgen tönte IG Metall-Chef Jürgen Peters noch im ZDF-Morgenmagazin, trotz Nachbesserungen bei der Arbeitsmarktreform seien die Pläne der Bundesregierung „nicht zumutbar“. Und Frank Teichmüller, Leiter des Bezirks Küste, kündigte an, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) heute „nicht sehr freundlich“ begrüßt würde. Die IG Metall versucht, zu ihrem Gewerkschaftstag, der gestern in Hannover begann, wieder zur Normalität zurückzukehren.

Aber was heißt schon Normalität nach dem Chaos der vergangenen Monate? Der Streik um die 35-Stunden-Woche – vergeigt, weil die Basis im Osten nicht mitzog. Das Aufstellen einer neuen Spitze – ein Debakel, in dem Boss Peters zuletzt von seinem Vorgänger Klaus Zwickel erbittert bekämpft wurde.

In Scharen laufen der „wichtigsten Industriegewerkschaft der westlichen Welt“ die Mitglieder weg: Allein in diesem Jahr sank die Zahl der IG Metaller um 88.000 auf 2,55 Millionen. Jetzt will sich die „IG Dinosaurier“ wieder aufrappeln: Eine „Isolation gilt es zu verhindern“, sagte IG Metall-Vize Berthold Huber bei seiner Eröffnungsrede. Allerdings, und auch dies betonte er, sei ein „‘weiter so‘ nicht möglich“.

Dafür werden die 600 Delegierten bis zum Samstag weiter streiten. Die Bezirke NRW, Bayern und Küste forderten bereits vor dem Kongress „einen politischen Neuanfang“ nach der „historischen Zäsur“, dem Jahr 2003. Auch in der Tarifpolitik ist sich die IG Metall uneins. Während die Traditionalisten gegen differenzierte Abschlüsse sind, fordern Reformer aus dem Ländle-Verband Baden Württemberg zweistufige Tarife, damit es bei florierenden Firmen wie dem Daimler auch ein paar Euro mehr sein können.

Vor allem hoffen die Metaller jedoch, endlich wieder mehr Gehör in Berlin zu finden: Während Huber versuchte, endlich aus der Schmollecke rauszukommen, indem er nur noch flau betonte, die Agenda 2010 müsse „nachgebessert“ werden, redete sein Chef Peters intern vom „Scheißdreck“. Egal: Der Bundeskanzler dürfte sich bei seinem heutigen Auftritt kaum zu Zugeständnissen hinreißen lassen – auch wenn Delegierte wie der Bremer IG Metall-Vorsitzende Dieter Reinken mittlerweile eine „ganz große Distanz zur SPD“ sehen. Für die Abstimmung über die Arbeitsmarktgesetze am kommenden Freitag hat Gerhard Schröder die „Abweichler“ im Bundestag auf seine Seite gebracht. Kai Schöneberg