Yehudi Menuhin ist tot – der KVR auch

Mit der Feier zu seinem 25. Bestehen verabschiedete sich der Kommunalverband Ruhrgebiet mit Gastrednern – Ministerpräsident Peer Steinbrück wurde ausgeladen. Die anderen sind ganz berauscht von einer Weltstadt Ruhr

RUHR taz ■ Das Programmheft weckte große Hoffnungen: Musikalisch würde die Festveranstaltung zum 25. Bestehen des Kommunalverbandes Ruhrgebiet (KVR) von keinem geringeren als Yehudi Menuhin umrahmt. Doch kaum da das Saxophonquartett zur Bühne schritt, wird auch der letzte Erwartungsfrohe gemerkt haben: Violinist Menuhin ist vor fünf Jahren gestorben. Unfreiwillig passend zum allerletzten großen Auftritt des KVRs vor seiner Umwandlung in der Regionalverband Ruhr (RVR) musizierten die Bläser nur im Namen der Klassiklegende. Und Menuhin blieb nicht der einzige, der vermisst wurde: So soll sich NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) im Vorfeld als Festredner angeboten haben, doch der Ältestenrat der KVR-Verbandsversammlung lud Steinbrück in einer seiner letzten Amtshandlungen aus.

Statt des Ministerpräsidenten traten gestern vor allem Bundestags-Vizepräsident Norbert Lammert (CDU) und der ehemalige Staatsminister im Auswärtigen Amt, Christoph Zöpel (SPD) vors Rednerpult. Zöpel schlug einen weiten Bogen von der zur Jahrhundertwende boomenden Gemeinde Hamborn, der Gründung des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk vor achtzig Jahren bis zu den Chancen des neuen RVR: Wie alle industriellen Agglomerationen, dozierte Zöpel, habe auch das Ruhrgebiet eine Vergangenheit als „verdichtetes Hinterland mit kolonialem Status“. Ob es ein Zukunft habe, hänge auch davon ab, ob es zur Metropole werden wolle, zur Weltstadt: „Die Welt wartet darauf!“, glaubt der einstige Landesminister. Es gebe hier genug Menschen, dem Ruhrgebiet könnte es als erste Industrieregion gelingen, zur neuen Stadt zu werden: Zur Versöhnung von Grünland und Wasser und alteuropäisch geprägten Stadtzentren. Heißen sollte das ganze dann „Stadt Ruhr“ und als Wappentier biete sich der Elefant an – denn der sei ja viel größer als der Berliner Bär, die Region brauche Ausrufezeichen im Wettkampf der Global Cities.

An den globalen Städten kam auch Norbert Lammert nicht vorbei: „Bisher kommt das Ruhrgebiet doch international überhaupt nicht vor!“, sagte der CDU-Ruhrchef den Ehrengästen. Zwar „perpetuiere“ der neue RVR die Schwächen des KVR, weiterhin fehle die Planungskompetenz, doch ist der von rot-grün aufgelegte Verband auch eine „Chance“, die alle anpacken müssten: „Wir müssen die Region auf eigene Füsse stellen und ans Laufen bringen!“, rief Lammert auch denen zu, die wie Gelsenkirchens CDU-Oberbürgermeister Oliver Wittke, dem neuen RVR mit einer Klage drohen.

Kämpferisch blieb auch der nach neun Jahren aus dem Amt scheidende KVR-Verbandsdirektor Gerd Willamowski. Zwar sei die regionale Verwaltungsebene weiterhin falsch aufgestellt – doch im Gegensatz zu seinem Amtsantritt 1995 würden das alle in der Region so sehen: Ein großer Fortschritt, der das Ruhrgebiet dazu befähigen können, in der „ersten Liga der europäischen Metropolen mitzuspielen und dort auf den vordersten Tabellenplätzen.“ Wer das schaffen könne? Willamowski bemühte einen Sinnspruch: „Alle sagten, es geht nicht, und dann kam einer, der wusste das nicht, und hat es gemacht!“

Ob Christa Thoben, die dem neuen RVR für eine Übergangszeit vorstehen wird, diese erfolgreiche Ahnungslose ist, darf indes bezweifelt werden. Klug hält sich die CDU-Politikerin mit Aussagen vor ihrer Einsetzung am 1. Oktober zurück und holte die Visionäre zurück in die Realitäten des Ruhrgebiets, einer schrumpfenden Stadt: „Ohne Realismus gibt es keine brauchbaren Lösungen!“ CHRISTOPH SCHURIAN