Auch Lernen will gelernt sein

Die OECD-Bildungsstudie lässt auch Kölner Lehrer nicht kalt. Die einen propagieren die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems, andere wollen nur Lehrpläne entrümpeln und das Lernklima ändern

Von Christiane Martin

Anton (Name geändert) ist neun und geht in die vierte Klasse einer Grundschule in Rösrath bei Köln. Sein Wortschatz ist größer als der vieler seiner Klassenkameraden. Er kann fließend lesen und besonders gut naturwissenschaftliche Zusammenhänge erklären. Nur mit dem Schreiben hapert es. Anton kann sich schriftlich kaum ausdrücken und wird deshalb in einem Jahr auf die Hauptschule gehen.

Seine Lehrerin bedauert das, sieht aber keine andere Möglichkeit. „Den nimmt keine Realschule. Aber an der Hauptschule wird er untergehen“, zeichnet Nina Rock das Zukunftsbild eines Jungen, der in keine der bestehenden Schulformen richtig passt. Eine Gemeinschaftsschule, in der Kinder aller Leistungsklassen unterrichtet würden, wäre für Anton die Rettung, sagt Nina Rock. Sie propagiert das eingliedrige Schulsystem, das auf die Einteilung in Hauptschule, Realschule und Gymnasium verzichtet.

Die Vorteile einer solchen Gemeinschaftsschule sieht die 30-Jährige darin, dass alle Schüler die gleiche Chance auf Schulabschlüsse haben und die Schüler sich untereinander anregen und voneinander lernen. Die meisten europäischen Länder scheinen das erkannt zu haben und unterrichten in eingliedrigen Schulsystemen. Viele Eltern, Pädagogen und Politiker sehen darin einen Grund für die guten Ergebnisse dieser Länder bei Bildungsstudien wie PISA oder der neuesten OECD-Studie. Entsprechende Forderungen nach politischen Reformen in Deutschland, das in den Studien schlecht abschneidet, wurden auch in den letzten Tagen wieder laut.

Für Karsten Möring sind das nur Nebenkriegsschauplätze. Der Schulleiter des Maximilian-Kolbe-Gymnasiums in Köln-Porz sagt: „Wichtig ist das, was in den Schulen passiert.“ Politische Forderungen angesichts schlechter OECD-Ergebnisse helfen seiner Meinung nach allein nicht weiter. Er möchte gern die Lehrpläne entrümpeln. „Lernen unsere Kinder das Richtige?“, fragt er sich. Auch das Lernklima müsste seiner Meinung nach verbessert werden, womit er an gesamtgesellschaftlichen und familieninternen Problemen rührt. „Die Jugendlichen verbringen zu viel Zeit vor dem Fernseher und Computer oder damit, Geld zu verdienen, um sich Konsum leisten zu können“, sagt der Pädagoge. Das beeinflusse das Lernklima negativ.

Vom eingliedrigen Schulsystem hält Karsten Möring nicht viel und führt die Gesamtschulen als schlechtes Beispiel an; bei PISA hätten diese Schulen besonders schlecht abgeschnitten. Dabei lässt er außer Acht, dass die Gesamtschulen zwar alle Schulformen unter einem Dach vereinen, aber intern die Schüler ihren Leistungen entsprechend selektieren. Von einer natürlichen Mischung aus schwachen und starken Schülern sind die Gesamtschulen weit entfernt und schwer vergleichbar mit Gemeinschaftsschulen.

Schulleiter Möring sieht jedoch generell in der Mischung der Leistungsgruppen keinen Vorteil. „Die besten Lernerfolge erzielt man in homogenen Gruppen“, sagt er und geht so d‘accord mit vielen Gymnasiallehrern. Hier scheint die Befürchtung vorzuherrschen, dass ausschließlich die Schwächeren von den Stärkeren profitieren und die Gymnasiasten dabei zu kurz kommen. Vergessen werden dabei aber soziale Kompetenzen und solidarisches Miteinander, die auch der Bildungselite nützen könnten. Und abgesehen von der Frage nach verbesserten Lernergebnissen, könnten Gemeinschaftsschulen auch eine Antwort sein auf die unterdurchschnittlichen Abiturienten- und Akademikerquoten, die die neueste OECD-Studie Deutschland bescheinigt. Aus Kindern wie Anton könnten an einer Gemeinschaftsschule durchaus Abiturienten werden.

Doch für solche Reformen fehlt in Deutschland nicht nur die politische Mehrheit, sondern auch das Geld. Elisabeth Hack, Schulleiterin des Montessori-Gymnasiums in Köln-Bickendorf, mag weder auf das eine noch auf das andere warten. An ihrer Schule wird schon mal ein bisschen im Kleinen reformiert. An regelmäßigen Methodentagen beispielsweise lernen ihre Schüler, wie man lernt: Lesetechniken oder Wissenspräsentation stehen dann auf dem Lehrplan. Die Schelte, die nach den schlechten OECD-Ergebnissen mal wieder auf die deutschen Lehrer niedergeht, prallt deshalb an ihr und ihrem Kollegium ab. „Wir sind uns schon bewusst, dass wir mit unserem besonderen Schulprogramm dem etwas entgegen zu setzen haben“, meint Elisabeth Hack.