Toter Wal im Hafen

Verendeter Finnwal am Grasbrook: Todesursache trotz Verletzungen von Schiffsschrauben unklar. Kadaver trieb vermutlich tagelang die Elbe rauf

„Sie werden durch Unterwasserlärm irritiert, biegen bei Schottland falsch ab und verirren sich“

von KAI VON APPEN

Spezialeinsatz für Hamburgs Feuerwehr: In der Elbe ist gestern Morgen ein toter 12 Meter langer Finnwal entdeckt worden. Der Kadaver trieb im Hansahafen am Kleinen Grasbrook auf und wurde von einem Feuerwehrlöschboot an den Lübecker Kai geschleppt. Feuerwehrtaucher inspizierten den 13,3 Tonnen schweren männlichen Jungwal, bevor die Feuerwehr in Amtshilfe für Strom- und Hafenbau mit der Bergung des Kadavers begann.

Fest steht bisher nur, dass der Finnwal schon seit mehreren Tagen tot ist. „Der Körper zeigt bereits Verwesungen auf “, sagt Feuerwehrsprecher Peter Braun. „Die Verletzungen stammen mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Schiffsschraube.“ Dass dies ursächlich für den Tod ist, bezweifelt Greenpeace-Walexpertin Iris Menn. Denn normalerweise kommt der Finnwal in unseren Gefilden nicht vor.

Nur auf ihrem Weg aus den nährstoffreichen kalten Gewässern des Nordatlantiks in wärmere äquatornahe Regionen und umgekehrt kreuzen Finnwale je nach Jahreszeit die Nordsee. Durch die Belastung der Meere durch Unterwasserlärm – wegen des regen Schiffsverkehrs, Schiffsschraubenvibrationen und Sonargeräusche – kommt es nicht selten vor, dass die Meeressäuger die Orientierung verlieren. „Sie werden durch Unterwasserlärm irritiert, biegen bei Schottland falsch ab und verirren sich in die flachen Gewässer“, so Menn.

Die NATO steht zurzeit in der Kritik von Tierschützern, da sie ein Niedrigfrequenz-Sonarsystem in den Meeren testet, das U-Boote mit extrem lauten Schallwellen aufspüren kann – und das Trommelfell von Walen zerstört.

Menn hält es aber auch für möglich, dass das Tier ohne konkrete Fremdeinwirkungen, sondern aufgrund der Umweltbelastungen in der Nordsee verendet ist. Denn Wale reagierten sehr stark auf toxische Stoffe. Menn: „Es ist wahrscheinlich, dass das Tier bei Flut tot die Elbe raufgetrieben und dann in eine Schiffsschraube geraten ist.“

Die Bergung des Kadavers dauerte mehrere Stunden, da Walbergung nicht gerade zur Routineaufgabe der Feuerwehr gehört. Zuletzt ist 1933 laut Braun ein toter Wal im Hamburger Hafen angetrieben worden. Lediglich 1983 hatte sich ein Beluga-Wal bis vor die Landungsbrücken verirrt, jedoch selbst wieder den Weg in die Nordsee gefunden.

Zur Bergung wurde dem Kadaver in einer aufwendigen Prozedur ein Netz umgestülpt und dieser von einem Feuerwehr-Kran aus dem Wasser gehievt. Der zweitgrößte Meeressäuger nach dem Blauwal wurde der Umweltbehörde zur Entsorgung übergeben. Veterinäre werden das Tier für den Abtransport zerlegen und dann die Organe auf eine mögliche Todesursache untersuchen.