Endstation Käsetheke

Die Verhandlung war lang, die Untersuchung gründlich und doch bleibt ungeklärt, ob der so genannte „Zylindermann“ Herr M. von zwei Karstadt-Detektiven hinter den Kaufhaus-Kulissen krankenhausreif geschlagen wurde

Bremen taz ■ Unstrittig war am Ende nur eines: Nach seinem Zusammentreffen mit zwei Karstadt-Kaufhausdetektiven musste Herr M. mit Verletzungen im Gesicht, an der Hüfte und am Ellenbogen ins Krankenhaus. Aber wie es dazu gekommen war an jenem 22. Februar im Jahr 2002, das konnte das Bremer Amtsgericht gestern auch in einer siebeneinhalbstündigen Verhandlung nicht aufklären. Minutiös versuchte der Richter das Geschehen nachzuzeichnen, vernahm zehn Zeugen, bekam ständig Widersprüche aufgetischt und musste zu dem Schluss kommen: Es gibt drei Versionen des Tathergangs. Welche stimmt, lässt sich nicht klären.

Laut Staatsanwaltschaft soll M. von den beiden Kaufhausdetektiven K. und E. gegen seinen Willen aus den Verkaufsräumen der Lebensmittelabteilung in einen Kellerraum geführt worden sein. Dort soll Detektiv K. M. zweimal ins Gesicht geschlagen, ihn per Schwitzkasten in die Knie gezwungen und danach mehrmals getreten haben. Detektiv E. soll dabei Schmiere gestanden haben.

Wie sich herausstellte, war dies nicht die erste Begegnung zwischen M. und den Detektiven: M. war bei Karstadt in der Obernstraße bereits bekannt als der „Zylindermann“, als derjenige, der immer mit einem grauen Zylinder und Frack unterwegs war und dabei „negativ auffiel“, so K. Bereits im März 2001 wurde M. Hausverbot erteilt, und er sei von Detektiv E. seitdem „immer wieder nach draußen befördert“ worden. Einer der Gründe zum Beispiel: M. habe sich mit bloßen Fingern bei offen ausliegenden Waren bedient.

Was die Geschäftsführung zu einer Order veranlasst haben soll, an M. auch keine Probeverkostung mehr auszugeben. Wovon die Käsetheken-Verkäufer C. an diesem Abend nichts wusste, als M. gegen 19.15 Uhr erst probieren wollte, dann abpacken ließ und sich zuletzt doch gegen einen Kauf entschied. Immerhin alarmierte sie oder eine ihrer Kolleginnen nach dem Auftritt des „Zylindermanns“ den Detektiv K. Und der holte per Funk den Detektiv E.

Und dann? Wird‘s schwierig. Verkäuferin C. will nichts gesehen haben, nur noch gehört, und zwar ein „Gepolter“ an der Käsetheke. Und Kollegin D. bemerkte im Polizeiprotokoll von 2002 noch, wie M. Richtung Personalausgang geführt wurde und sich wehrte, erinnerte gestern aber, dass „eine körperliche Auseinandersetzung“ nicht zu erkennen gewesen sei.

Laut Aussage des Geschädigten M. waren dagegen vor allem die darauf folgenden Misshandlungen im Personalbereich wesentlich drastischer, als im damaligen Polizeibericht nachzulesen ist. Warum? Der Bericht sei falsch, so M. Er habe das nie so gesagt, der diensthabende Beamte habe den Bericht verfasst, ohne ihn, M., zu befragt zu haben. Und warum der Polizist die weißgeflieste Wand nicht finden konnte, die M. als Ort der Misshandlung angab? „Machen Sie eine Ortsbesichtigung“, so M. zum Richter, der feststellte: „Das Ganze nimmt an Dramatik zu, je öfter Sie das Schildern.“

Am Ende der Vernehmungen blieb die Staatsanwältin dabei: „Die Verletzungen sind bei Karstadt zugefügt worden“, es sei „abwegig“, dass M. sich seine Blessuren in dem kleinen Zeitfenster zwischen der Begegnung mit den Detektiven und dem Eintreffen der Polizei andernorts zugezogen haben soll. Die Staatsanwältin forderte eine Verurteilung wegen Körperverletzung und Beihilfe. Für den Richter aber blieb M. aufgrund der Diskrepanz zwischen damaligen und heutigen Aussagen unglaubwürdig: „Auf diese Aussagen stütze ich mich nicht. Und die Beweislast liegt beim Staat.“ Im Zweifel für den Angeklagten: K. und E. wurden freigesprochen. kli