Platzeck darf noch einmal wählen

Brandenburgs SPD kann sich den Koalitionspartner aussuchen. Doch mit der CDU wie mit der PDS gibt es Konflikte: Hier die Bildungspolitik, dort der Flughafenausbau. Dennoch tendiert die SPD zur Union. Nur Berliner Genossen raten zu Rot-Rot

VON STEFAN ALBERTI
UND RICHARD ROTHER

Zu späterer Stunde hatte Matthias Platzeck selbst bei der SPD-Wahlparty keine Politrede mehr halten, sondern einfach ein Glas Rotwein trinken wollen. Doch auch am Tag nach dem überraschenden Wiederauferstehen seiner Partei wollte der Ministerpräsident und Spitzensozi sich auf keine Koalition festlegen. Mit dem angeschlagenen bisherigen Partner CDU will er in den nächsten Tagen genauso Sondierungsgespräche führen wie mit der PDS, die über die Hartz-Proteste von 23,5 auf 28 Prozent gestiegen war. Freitag will Platzeck zwischenbilanzieren, Mitte Oktober soll die neue Koalition stehen.

Was wie eine Alternative ausschaut, macht Platzeck aber auch zu einem Polit-Odysseus, der die Wahl zwischen den Übeln Skylla und Charybdis hat. Denn problematisch wären beide Koalitionen. Die SPD-Bildungspolitik mit einer sechsjährigen Grundschule steht konträr zur CDU-Forderung, schon nach der vierten Klasse zu selektieren. Die PDS hingegen würde den Ausbau des Flughafens Schönefeld, für Platzeck als zentrales Infrastrukturprojekt ebenfalls unverhandelbar, nur widerstrebend mittragen. Wenn sie es täte, wäre das – wie die Länderfusion – ihren Mitgliedern schwer zu vermitteln.

Im Bundesrat hätte es die SPD beim wichtigen Thema Bürgerversicherung mit der PDS zwar leichter. Die CDU würde aber auch ohne Regierungsbeteiligung die Mehrheit in der Länderkammer halten. Aus Berlin empfahl der dortige PDS-Fraktions- und Landeschef Stefan Liebich seinen Parteifreunden Rot-Rot. Gleiches tat auch Berlins SPD-Vorsitzender Michael Müller.

In der PDS stehen sich allerdings landes- und bundespolitische Erwägungen gegenüber. Ein Mitregieren, verbunden mit unpopulären Kürzungen, könnte die Chancen bei der Bundestagswahl 2006 mindern. Diese Sorge versuchte PDS-Bundeschef Lothar Bisky gestern auszuräumen. Auch mit Rot-Rot in Brandenburg könne die Partei bundesweit Achtung erlangen. Gleichzeitig hob Bisky hervor, die Bundestagswahl auch mit einer starken Opposition in Brandenburg angehen zu können. Eine rot-rote Koalition in Brandenburg müsse sich für mehr soziale Gerechtigkeit einsetzen und das „Hickhack in der Bildungspolitik“ beenden. Zum Flughafen erklärte PDS-Spitzenkandidatin Dagmar Enkelmann, man lehne ihn nicht generell ab. Aber zuvor müssten Bedarf und Wirtschaftlichkeit überprüft werden.

Auf der PDS-Party am Wahlabend in Potsdam war von Vorfreude und dem Willen, in Brandenburg als Regierungspartei etwas bewegen zu wollen, wenig zu spüren. Stattdessen feierten die Genossen ihren Erfolg mit Rotkäppchensekt und Freibier – und schienen es sich in der Oppositionsrolle bequem zu machen.

Für die SPD-Basis kam bei der Wahlparty mit Blick auf die Sozialisten gar nichts anderes in Frage. Wen man auch ansprach, es kam außer von den Jusos ein einhelliges Votum für Rot-Schwarz. Entscheidende Argumente: Die CDU sei berechenbarer, die PDS habe einen aggressiven Wahlkampf gegen die SPD und Hartz geführt, die Partei werde zudem noch „von Genossen von vor 1989“ geführt. Das ging besonders Richtung Heinz Vietze, parlamentarischer Geschäftsführer der PDS-Fraktion und letzter SED-Bezirkschef von Potsdam.

Der Prenzlauer SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Meckel, 1990 DDR-Außenminister, nannte die PDS „nicht reformfähig“ und hielt ihr Panikmache vor. Es könne nur heißen: Koalition fortsetzen, aber kein „weiter so“. Platzeck müsse dazu „der CDU die Zähne zeigen“. Platzecks Vorgänger, der jetzige Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe, schloss Rot-Rot strikt aus. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hingegen nannte die PDS „enttabuisiert“.

Dass die SPD sich nicht schon gestern festlegte, ist nur natürlich – sonst nähme sie sich sich selbst einen Verhandlungsvorteil. CDU-Generalsekretär Thomas Lunacek kündigte zwar an, man werde sich nicht erpressen lassen. Doch die eigenen Parteifreunde aus Berlin, Landeschef Joachim Zeller und Fraktionschef Nicolas Zimmer, drängen, man dürfe den Nordosten Deutschlands „nicht dem rot-roten Chaos opfern“.

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