paketzustellung in die pfütze von EUGEN EGNER
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Am Samstagnachmittag hatte eine Nachbarin in der Pfütze vor dem Haus eine an Suse adressierte orangefarbene Abholkarte gefunden und der Empfängerin ausgehändigt. Suse erklärte sich den Sachverhalt folgendermaßen: „Der Paketbote muss total erschöpft gewesen sein, mit allerletzter Kraft hat er gerade noch eine Abholkarte schreiben und in die Pfütze werfen können. Wäre er imstande gewesen, bei mir zu klingeln, hätte ich es gehört, denn ich war die ganze Zeit über zu Hause. Dann hätte ich ihm ein stärkendes Käsebrot oder eine Hühnerbrühe reichen können.“

Weil der Zustellungsvorgang offenbar nicht ganz ordnungsgemäß durchgeführt worden war, stand Suse davon ab, die Tagesreise zum nächsten Postamt zu unternehmen, um unter Vorlage der aufgeweichten Karte das Paket abzuholen, von dem sie sich im Übrigen gar nicht vorstellen konnte, was darin sein mochte und wer es ihr überhaupt zugeschickt hatte. Das Naheliegendste war, bei der Paketausgabe gedachten Postamts anzurufen und um Neuzustellung zu bitten. Im Telefonbuch aber fand sich kein entsprechender Eintrag, nur auf mühsamen Umwegen gelang es Suse, eine so genannte „Servicestelle“ zu erreichen. Dort erfuhr sie, die Nummer der Paketausgabe an ihrem Wohnort dürfe aus Datenschutzgründen nicht preisgegeben werden. Der Mensch, der ihr dies mitteilte, nahm ihre Angaben auf und versprach eine zweite Zustellung zu genau festgelegter Stunde. Diese jedoch verging dann ebenso wie der ganze Tag, ohne dass etwas geschah. Suse wandte sich erneut an den telefonischen Service. Eine Dame in wieder einer anderen Stadt hörte sich den Fall an und sprach schließlich, fernmündlich könnten keine Zustellungswiederholungen beantragt werden. Suse müsse die Karte ausfüllen und in den nächsten Briefkasten einwerfen. Da lachte Suse hell auf, denn der nächste Briefkasten war jener, der außen am Postamt hing. Sie bestand auf Zustellung, worauf die Dame am anderen Ende sagte: „Dann wird das Paket eben an den Absender zurückgeschickt.“

Am Abend rief Suses Freundin Friederike an. „Hast du mein Paket bekommen?“, fragte sie. „Ach, du hast mir eins geschickt?“, rief Suse und erzählte von ihren Schwierigkeiten. Zuletzt wollte sie wissen: „Was ist denn drin?“ – „Mein Mann“, antwortete Friederike. „Bei dir ist er besser aufgehoben.“ – „Meinst du?“, wunderte sich Suse. „Aber ich hab doch so wenig Platz, und mein Geld reicht auch kaum, ihn zu ernähren.“ – „Da kann ich dich beruhigen, der braucht nicht viel. Für gewöhnlich steht er nur vor dem Haus und schlägt hin und wieder leicht mit dem Kopf an die Mauer. Alle paar Tage muss ihm etwas rohes Fleisch hingeworfen werden.“ – „Wenn das so ist, dann schick ihn mir doch bitte noch einmal zu.“

Und tatsächlich wurde das Paket am Samstag vorschriftsmäßig bei Suse abgeliefert. Abends erkundigte sich Friederike: „Ist er angekommen?“ – „Ja, vielen Dank.“ – „Und? Wie macht er sich?“ Suse sah aus dem Fenster. „Augenblicklich liegt er in der Pfütze vor dem Haus.“– „Na, siehst du!“