Verschiedene andere Wege

Acht Dokus und Spielfilme zeigen im Rahmen der „Romero-Filmtage“ Menschen in Lateinamerika, die auf unterschiedliche Weise mit dem Gegebenen brechen

Einen Arm und zwei Leben hat der alte Geigenspieler Don Plutarco in Francisco Vargas Quevedos Spielfilm „El Violín“. Gemeinsam mit seinem Sohn Genaro und seinem Enkel Lucio lebt er das Leben eines einfachen Bauern und Volksmusikanten. Heimlich aber unterstützt das Trio eine Guerillatruppe, die in der mexikanischen Provinz gegen die gewalttätige Unterdrückung der Landbevölkerung kämpft. Eines Abends kommt der alte Geiger nach Hause und findet sein Dorf vom Militär besetzt vor – alle Dorfbewohner wurden verjagt oder ermordet. Während die Guerilla einen Angriff plant, um in den Besitz der im Dorf versteckten Munition zu gelangen, hat der alte Geiger einen eigenen Plan: Denn der Capitán, der das Dorf besetzt hält, liebt dessen Geigenspiel. Zwischen den beiden durch die Musik Verbundenen und durch die Bestimmung Getrennten entspinnt sich ein Katz- und Maus-Spiel, bei dem schließlich die Frage bleibt, wer eigentlich Katze und wer Maus ist.

Zu sehen ist der mehrfach preisgekrönte Film über das Aufeinandertreffen von Gewalt und Musik – in Cannes wurde Hauptdarsteller Ángel Tavira 2006 als bester Schauspieler geehrt – im Rahmen der Romero-Filmtage, die von Mittwoch an im Metropolis sechs Spiel- und Dokumentarfilme zeigen, in denen Menschen in Lateinamerika sich auf unterschiedliche Weise auf andere Wege begeben, mit den Vorgaben und dem Gegebenen brechen oder sich eine andere Zukunft wünschen.

Dabei widmen sich nicht alle Filme ausschließlich lateinamerikanischen Themen. Zwar stammen auch die Protagonisten des vom Deutschen Peter Lilienthal gedrehten Dokumentarfilms „Camilo – Der lange Weg zum Ungehorsam“ aus Lateinamerika. Ausgangspunkt für deren „andere Wege“ ist indes der Krieg der USA gegen den Irak. Meija desertierte als US-Soldat nach einem halben Jahr im Irak, Fernando Suarez del Solars Sohn wiederum war einer der ersten toten US-Soldaten des Krieges. Lilienthals Film beschreibt, wie sich die beiden Männer „auf einem langen Weg“ gegen die öffentliche Meinung gestellt haben und hinterfragt dabei nicht nur die Legitimität des Krieges, sondern auch die Verantwortung der Söhne und Väter, als Soldaten in einen Krieg zu ziehen.

Wie schwierig es ist, in der harten Realität einer Hüttensiedlung in einem der ärmsten Länder der Erde an seinen Träumen festzuhalten, macht Andreas Kannengießers Spielfilm „Planet Carlos“ deutlich. Dessen Protagonist Carlos ist 13 Jahre und lebt in einem Armutsviertel am Rande der nicaraguanischen Stadt León. Sein Geld verdient der Junge in einer Gigantonagruppe, die vor Touristen Theater, Tanz und Kinderverse vorträgt. Viel lieber als den Enano zu tanzen, würde Carlos Gedichte aufsagen. Nachdem es deswegen zum Streit kommt, fliegt er raus – und wird von seiner Mutter zum Bananenverkaufen auf den Markt geschickt.

Aber Carlos gibt sich nicht geschlagen, gründet eine eigene Gruppe, in der er der Versaufsager ist. Doch der harte Alltag der Jugendlichen lässt kaum Zeit für die Kunst, nach und nach lassen ihn seine Mitstreiter im Stich. Als es mit der Gigantonagruppe vorbei ist, flüchtet er mit Freundin, kleiner Schwester und deren Huhn an den Strand. Und sieht sich der größten Verantwortung seines Lebens gegenüber: Verantwortung.

Der Rest der Filme setzt sich mit sozialen Bewegungen und Kämpfen in Lateinamerika auseinander. Am kommenden Mittwoch ist der Kampf und die Repression der panamaischen BauarbeiterInnen Thema einer Dokumentation und eines Spielfilms der Regisseurin Miriam Fischer, die auch zu Gast ist. Zwei Dokus von Michael Enger schildern eine Woche später den Kampf mexikanischer ReifenarbeiterInnen gegen den Continental-Konzern. Vicky Funaris und Sergio de la Torres „Maquilápolis – City of factories“ widmet sich schließlich der systematischen Ausbeutung weiblicher Beschäftigter in den Exportsweatshops in den „Sonderzonen“ im mexikanischen Tijuana.ROBERT MATTHIES

Mi, 25. 3. bis Fr, 3. 4., Metropolis, Steindamm 52 – 54; www.romerotage.de/romero_filmtage.html