„Der NPD-Erfolg in Sachsen ist kein Zufall“

In Sachsen ist Rechtsextremismus nicht sozial geächtet. Das hat der NPD ihren Imagewechsel ermöglicht, meint der Politologe Henning Flad

taz: Ist Hartz IV schuld am Abschneiden der rechtsextremen Parteien in Sachsen und Brandenburg?

Henning Flad: Hartz IV hat einen günstigen Rahmen für die Rechtsextremen geschaffen. Viel gravierender ist aber, dass wir seit Jahren besonders in Ostdeutschland ein fest verwurzeltes Neonazi-Milieu haben, das sich nun in Wahlergebnissen niederschlägt.

SPD- und CDU-Politiker glauben, dass nur ein kleiner Teil der DVU- oder NPD-Wähler der organisierten rechten Szene zuzurechnen ist. Die meisten seien Protestwähler. Ist das so?

Der Begriff Protestwähler verharmlost das Problem. Zwar ist nicht jede Stimme für die NPD primär rechtsextrem motiviert. Für den größten Teil der Wähler trifft das aber zu. Es ist kein Zufall, dass die NPD gerade in Sachsen so erfolgreich war. Dort gibt es ein fest verwurzeltes Neonazi-Milieu. Hinzu kommt: Sachsen ist eines der Länder, in denen Rechtsextremismus im Alltag am wenigsten sozial geächtet ist. Zugleich tut die Landesregierung besonders wenig zur Bekämpfung dieses Problems.

Bei den Männern unter 30 wählte dort jeder Fünfte rechtsextrem. Lange Zeit hatte die NPD das Image einer Altherrenpartei und der Ewiggestrigen. Wie ist sie dieses Image losgeworden?

Anfang der 1990er-Jahre war die NPD organisatorisch am Ende. Holger Apfel war schon damals eine Schlüsselfigur, indem er Mitgliedern der damals verbotenen Neonazi-Organisationen den Weg in die Partei ebnete. Das waren vor allem junge Leute. Zugleich ist der NPD in Sachsen ein Wahlkampf gelungen, der nicht allzu neonazistisch wirkte.

Ist es nicht eher so, dass die rechte Szene teilweise ihr rabiates Springerstiefel-Image abgelegt hat und damit auch Apotheker, Ärzte, ja sogar Universitätslehrer anlockt?

Parteien, die am Rande stehen, ziehen zunächst einmal Glücksritter an und nicht sozial erfolgreiche Personen. Typisch für die NPD ist vielmehr eine Nähe zu kriminellen Kreisen, wie das Beispiel des ehemaligen NPD-Landesvorsitzenden Peter Borchert zeigt, der in Schleswig-Holstein wegen Raubüberfällen auf Tankstellen angeklagt war.

Die DVU in Brandenburg hingegen muss sich noch mit dem Image der Altherrenpartei herumschlagen. Besteht nicht auch für sie die Möglichkeit, einen Imagewechsel zu vollziehen?

Nein, das halte ich für nahezu ausgeschlossen. Im Gegensatz zur NPD gibt es in der DVU kein lebendiges Parteileben und es wird dort auch niemand systematisch zum Kader ausgebildet. Hauptzweck der DVU ist, die Publikation des DVU-Vorsitzenden Gerhard Frey zu bewerben, der in München die National-Zeitung herausgibt.

Also war es aus Sicht der NPD taktisch unklug, Sachsen und Brandenburg aufzuteilen? Wahrscheinlich hätte sie in Brandenburg weit mehr Stimmen gezogen als die DVU.

Nicht unbedingt. Die Brandenburger NPD ist gespalten. Es war für die NPD leicht, auf eine Wahlteilnahme in Brandenburg zu verzichten, weil sie dort vergleichsweise wenig funktionierende Strukturen hat.

Hätte es ein NPD-Verbot geben sollen?

Grundsätzlich halte ich es für keine gute Idee, Rechtsextremismus mit Verboten zu bekämpfen. Das bestehende Strafrecht müsste ausreichen, um Gewaltstraftaten von rechts zu verfolgen.

Ist es klug, dass Politiker anderer Parteien die Rechtsextremen ignorieren?

Ich finde eine konsequente Ächtung der NPD richtig. Die NPD ist keine normale Partei. Das sind Leute, die Rudolf-Hess-Gedenkmärsche organisieren. Leute, die bekennende Neonazis sind und erklärtermaßen eine Diktatur in Deutschland anstreben.

Das hieße, sich nicht mit ihnen politisch auseinander zu setzen.

Wir müssen darüber reden, dass große Teile der Bevölkerung in Deutschland ein rassistisches und antisemitisches Weltbild pflegen. Mit denen muss die Auseinandersetzung gesucht werden. Das heißt aber nicht, dass man jetzt NPD-Leute in Talkshows einlädt.

INTERVIEW: FELIX LEE