Energetisch noch nicht ganz ausgegoren

Wie viel Energie in organischem Abfall schlummert, lässt sich an der riesigen Menge Methan ablesen, die aus den deutschen Altdeponien entweicht. Hinzu kommen Klärgase, die bei der Abwasserreinigung und der Klärschlammaufbereitung anfallen. Dieses Potenzial wird bislang kaum genutzt

VON DIERK JENSEN

Abfälle haben es in sich. Sie enthalten wertvolle Rohstoffe, die wieder verwertet werden können; sie stecken voller Energie. Das gilt natürlich auch für die vielfältigen organischen Fraktionen im Abfall, die früher zu großen Teilen ungenutzt auf den Deponien landeten. Während die wenig rühmliche Ära der Deponie im Sommer 2005 endete und die Hygienerichtlinien für bestimmte Bioabfälle verschärft wurden, spielt die Vergärung biogener Abfälle eine immer weiter wachsende Rolle.

Die getrennte Sammlung von biogenen Abfällen begann in Deutschland vor ungefähr 25 Jahren. Seitdem ist die Verwertung von Bioabfällen rasant angestiegen. Insgesamt gibt es in Deutschland weit über 13 Millionen Tonnen organische Abfälle. Manche Experten schätzen sogar, dass jährlich 16 Millionen Tonnen zwischen Alpen und Nordsee anfallen. Wie viel Energie in diesen organischen Fraktionen schlummert, ist bereits an der riesigen Menge an Methan abzulesen, die aus den deutschen Altdeponien entweicht. Hinzu kommen noch die sogenannten Klärgase, die bei der Abwasserreinigung und der Klärschlammaufbereitung anfallen und mit tausenden Gigawattstunden beziffert werden.

Die Deutschen werfen rund 4 Millionen Tonnen Organisches in ihre Biotonne. Hinzu kommen ebenfalls getrennt erfasste Chargen an Garten- und Parkabfällen und Grünschnitt; zusammengerechnet stehen sie mit rund 4 Millionen Tonnen zu Buche. Des Weiteren gibt es noch einige Millionen Tonnen Bio- und Grünabfälle, die in Siedlungs- und Gewerbeabfällen als theoretisches Potenzial wiederzufinden sind; diese werden jedoch nicht vergoren, sondern entweder in mechanisch-biologischen Anlagen (MBA) aufbereitet oder dem Klärschlamm zugefügt. Den kunterbunten Bioreigen im Abfallsegment komplettieren schließlich die energiereichen Speisereste, Schlachtabfälle und diverse Reste aus der Lebensmittelerzeugung mit einem geschätzten Volumen von 3 bis 4 Millionen Tonnen.

Was wäre da verlockender, als alles zusammen in einen Gärtopf zu werfen, kräftig zu rühren und daraus klimaneutrale Energie zu erzeugen? Am Ende käme eine beachtliche Energiemenge zusammen: Ihr Stromoutput könnte zwei große konventionelle Kraftwerke ersetzen.

Wenngleich das sicherlich wünschenswert ist, bleibt es doch graue Theorie. Denn in der Praxis ist das Geschäft mit biogenen Abfällen eine sehr heterogene Angelegenheit. So eignet sich etwa die organische Masse in Hausabfällen, die nicht getrennt gesammelt wird, gar nicht für die Vergärung, weil der Gärrest aufgrund hoher Schadstoffeinträge eine Rückkehr in den Stoffkreislauf verbietet.

Dafür sieht es für die anderen organischen Fraktionen hinsichtlich der Biogasnutzung günstiger aus. Bereits heute werden viele Biogasanlagen mit Abfällen aus Schlachthöfen, Molkereien, Brauereien oder mit Speiseresten aus Großkantinen, Hotels, Krankenhäusern, abgelaufenen Chargen aus dem Lebensmittelhandel beschickt. Manche Biogasanlagenbetreiber vergären diese Substrate mit Gülle und Energiepflanzen, andere konzentrieren sich ganz auf den Input aus Abfällen. „Gerade in der Monovergärung sehe ich wegen ihrer hohen Energieeffizienz für viele kleine und mittlere Unternehmen große Chancen“, betont Thomas Probst vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e. V. (bvse).

Die größten noch nicht ausgeschöpften Potenziale liegen sicherlich noch im Bereich der Biotonnen, Grünschnitte und Gartenabfälle. Diese Fraktionen gehen bislang noch zu großen Teilen in Kompostanlagen, von denen deutschlandweit eine Verarbeitungskapazität von rund 12 Millionen Tonnen zur Verfügung steht.

Die Bundesgütegemeinschaft Kompost, die als unabhängige Organisation Komposte und Gärprodukte begutachtet, zählt deutschlandweit über 800 solcher Kompostierungsanlagen, aber nur 85 Biogasanlagen, in denen Bioabfälle aus Haushalt, Gewerbe, Garten und Parks mit einem Volumen von 2 Millionen Tonnen vergoren werden. Das entspricht rund 15 Prozent des organischen Abfallangebots, der Rest wandert energetisch bisher ungenutzt in die Kompostierung.

Doch arbeiten Entsorgungswirtschaft und Biogasbranche daran, dass diese Quote steigt. So werden neben der Nassfermentation in den nächsten Jahren vermehrt Technologien der Trockenfermentation zum Einsatz kommen. Dabei kann der Gärrest völlig problemlos kompostiert werden.

Da sich Kompostierung und Vergärung nicht widersprechen, gibt es auch von wissenschaftlicher Seite Rückendeckung. „Hinsichtlich der Abfälle aus Industrie und Haushalten ist zu beachten, dass dieses nicht unerhebliche Potenzial ohnehin entsorgt werden muss“, betont Martin Faulstich vom Sachverständigenrat für Umweltfragen.