Islamistenkongress verboten

Berlins SPD-Innensenator spricht Verfügung aus. Grund: Selbstmordattentate werden gerechtfertigt. Kritik von Grünen und FDP: ideologische Entscheidung

BERLIN taz ■ Der für Anfang Oktober in Berlin geplante „erste arabisch-islamische Kongress Europas“ ist verboten worden. Die Grenze dessen, was in Deutschland an freier Meinungsäußerung zulässig sei, sei mit dem Internet-Aufruf zu dem Kongress „weit überschritten“ worden, sagte Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gestern im parlamentarischen Innenausschuss zur Begründung. Selbstmordattentate in Israel und der arabischen Welt würden „expressis verbis“ für eine gerechte Sache erklärt. „So eine Hetze werden wir hier nicht akzeptieren.“ Die Verbotsverfügung gelte auch für alle Ersatzveranstaltungen.

In den vergangenen Tagen hatte sich Körting noch zurückhaltender geäußert, was eine Bewertung des Kongresses angeht (die taz berichtete). Allen voran war es Bundesinnenminister Schily (SPD) gewesen, der lauthals ein Verbot verlangt hatte. Landes- und Bundes-CDU pflichteten bei. Fast sieht es so aus, als sei Körting vor dem bundespolitischen Druck eingeknickt.

Der Umschwung hatte sich am vergangenen Wochenende angebahnt, als einer der Hauptinitiatoren des Kongresses, der Libanese Fadi Madi, bei der Wiedereinreise nach Deutschland am Flughafen Tegel „zurückgewiesen“ – sprich: vom Bundesgrenzschutz nach Beirut abgeschoben – wurde. Dort hatte Fadi fünf Tage zuvor bei einer Pressekonferenz für den Kongress geworben. Wie Körting gestern bestätigte, hat Generalbundesanwalt Kurt Nehm gegen den Mann ein Ermittlungsverfahren wegen Aufrufs zur Unterstützung einer terroristischen Vereinigung eingeleitet. Fadi habe bisher in Baden-Württemberg gelebt und sei erst kürzlich nach Berlin verzogen, so Körting. Aufgrund der Trennung von seiner deutschen Ehefrau habe die befristete Aufenthaltserlaubnis zurückgenommen werden können. Auch gegen andere Unterzeichner des Aufrufs werde von Seiten der Bundesanwaltschaft ermittelt.

Die Verbotsentscheidung stieß bei den Berliner Grünen und der FDP auf heftige Kritik. Dass es sich um einen Kongress von „Islamisten“ handele, lasse sich aus dem Aufruf „nicht ableiten“, so der Grünen-Fraktionschef, Volker Ratzmann. Er sprach von einer „hochideologisierten, nicht auf Tatsachen beruhenden“ Entscheidung. Der innenpolitische Sprecher der FDP, Alexander Ritzmann, zeigte sich „erschrocken über den Bohei“, der aus dem Aufruf gemacht werde. Er habe in diesem keine Hinweise auf Straftaten entdeckt.

Dann müssten sie ihr „Schulenglisch ein wenig aufpolieren“, empfahl Körting seinen Kritikern von der Opposition. Aber auch das neuerliche Studium des Aufrufs zeigt: von einer Rechtfertigung der Selbstmordattentate „expressis verbis“, wie der Senator meint, steht dort nichts. Es ist allenfalls von „Stolz“ auf die „Märtyrer“ die Rede. Seine Behörde habe den Sachverhalt sehr sorgfältig geprüft, sagte Körting zu dem Vorwurf einiger Medien, der Berliner Verfassungsschutz habe erst vor zwei Wochen von dem geplanten Kongress Kenntnis erhalten. Da „ein Teil der Initiatoren eher Wichtigtuer“ seien, habe sich seine Behörde zunächst einmal gefragt: „Wie hoch hängt man das?“ Es gebe durchaus Gründe, die Sache „nicht zu hoch aufzublasen“, gab Körting seinen Kritikern Recht. Er sei aber nicht der Einzige, der die Dinge als sehr ernst bewerte: „Joschka Fischer sieht es genauso“. PLUTONIA PLARRE