Schäfer sitzt Ideologiekampf aus

NRW-Gewerkschaften erneuern Forderung nach Zusammenführung der Schulformen. CDU und FDP warnen vor Einheitsbrei. Die Landesregierung verschiebt die Debatte auf die nächste Wahlperiode

VON NATALIE WIESMANN

Eine „Schule für alle“ fordern lautstark die Gewerkschaften in Nordrhein-Westfalen. Die Forderung ist nicht neu. Doch nach dem erneut schlechten Abschneiden der deutschen Bildungspolitik in der neuesten OECD-Studie fühlen sich die Gegner des dreigliedrigen Schulsystems im Aufwind: „PISA hat gezeigt, dass das integrative Modell Skandinaviens zu größeren schulischen Erfolgen führt“, sagt Norbert Wichmann, Bildungsexperte des DGB Nordrhein-Westfalen zur taz. „Die Kopplung von sozialer Schicht und Bildungserfolg hierzulande muss endlich durchbrochen werden“, sagte er gestern der taz. Auch die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) glaubt, dass die Bildungsmisere nur durch ein integratives Schulmodell zu retten sei. „NRW könnte als bevölkerungsreichstes Land Impulse geben“, sagt Vorsitzender Andreas Meyer-Lauber.

Doch davon ist die Landesregierung weit entfernt. Zwar fordern die Grünen und auch einige SPD-Politiker schon länger die Zusammenführung der Schule bis zum ersten Bildungsabschluss. Bildungsministerin Ministerin Ute Schäfer (SPD) will jedoch zunächst am dreigliedrigen Schulsystem festhalten. „Dafür gibt es zur Zeit keinen gesellschaftlichen Konsens“, glaubt Kabinettsneuling Schäfer. Es müsse ideologiefrei diskutiert werden, was das deutsche Bildungssystem nach vorne bringen könne, so Schäfer. „Es wäre aber völlig falsch, das auf Strukturfragen zu reduzieren.“ Andere Maßnahmen, wie die Förderung von Kindern vor der Einschulung und der Zentralisierung des Prüfungssystems seien momentan wichtiger.

Eine Debatte über Strukturfragen führe nur zur „Neuauflage eines ideologischen Schulkampfes“ wie bei der Einführung der Gesamtschulen in den 80er Jahren, befürchtet Schäfer. Auch Ministerpräsident Peer Steinbrück will die Zusammenführung der drei Schulen erst in der kommenden Wahlperiode angehen. Doch die CDU hat sich bereits wahlkämpferisch zu dem Thema geäußert. Einheitsschule sei Einheitsbrei, lautet das Urteil des Oppositionsführers Jürgen Rüttgers. Die CDU werde deshalb in Nordrhein-Westfalen mit aller Macht gegen eine Einheitsschule kämpfen.

Doch CDU und FDP werden nicht lange auf dieser Position beharren können, meint Udo Beckmann, Vorsitzender des NRW-Lehrerverbands Bildung und Erziehung (VBE). „Die demographische Entwicklung wird automatisch zu Schulfusionen führen.“ Auch aus bildungspolitischer Sicht fordert Beckmann ein längeres gemeinsames Lernen, das jedoch mit der jetzigen Gesamtschule nichts zu tun hätte. „Wir müssen uns an den Bedürfnissen der Kinder orientieren“, sagt er. Dafür bedürfe es zwar mehr Lehrer, doch teurer als das heutige System würde das nicht: „Sitzenbleiber und Schulwechsler schlucken unheimlich viel Ressourcen.“