Kosmetische Operation

Nach den Vorstellungen der Bush-Regierung soll sich die UNO auch weiterhin mit einer humanitären Rolle begnügen

„In den Kernfragen“ hat es nach deutscher Meinung „in Washington keine Bewegung gegeben“

von ANDREAS ZUMACH

Nach über sechswöchigen vergeblichen Bemühungen um eine neue Irak-Resolution des UN-Sicherheitsrates will es die Bush-Administration jetzt wissen. Noch heute, auf jeden Fall aber „noch vor dem Wochenende“ (UNO-Botschafter John Negroponte) soll der Rat über den am Dienstag formell eingebrachten dritten Resolutionsentwurf Washingtons abstimmen. Die USA erhoffen sich von einer Resolution positive Auswirkungen auf die für das Wochenende anberaumte Gipfelkonferenz der Organisation Islamischer Staaten (OIC), auf der zumindest informell über die Entsendung von Truppen in den Irak diskutiert werden soll, sowie auf die bislang noch für Ende nächster Woche geplante Irak-Finanzgeberkonferenz in Madrid.

Doch auch Washingtons dritter Entwurf erfüllt nicht die beiden Mindestanforderungen, die bislang von den Ratsmitgliedern Frankreich, Russland, China, Deutschland und Syrien sowie von UNO-Generalsekretär Kofi Annan öffentlich formuliert wurden: eine zentrale Rolle für die UNO im Irak und ein präziser, verbindlicher Zeitplan für die Übergabe der Souveränität an die Iraker.

Unter Berufung auf die Haltung Annans haben sich, trotz massiven Drucks aus Washington, intern auch die Ratsmitglieder Mexiko, Chile, Kamerun, Angola und Neuguinea diesen Mindestanforderungen angeschlossen. Falls Paris, Moskau, Peking und Berlin ihre Haltung nicht noch plötzlich aufgeben und damit Annan im Regen stehen lassen, ist die für eine Annahme des Entwurfs erforderliche Mehrheit von mindestens neun Jastimmen nicht absehbar. Bei einer Abstimmung könnten die USA sicher lediglich mit der Unterstützung Großbritanniens, Spaniens sowie eventuell Bulgariens und Pakistans rechnen.

Damit droht der Bush-Administration nach ihren beiden gescheiterten Versuchen vom Herbst 2002 und vom Frühjahr dieses Jahres, im Sicherheitsrat eine Resolution zur völkerrechtlichen Legitimierung des Irakkrieges durchzusetzen, erneut ein diplomatisches Waterloo. Der Entwurf enthält zwar erstmals ein konkretes Datum: Bis zum 15. Dezember dieses Jahres soll der von Washington eingesetzte provisorische Regierungsrat in Bagdad einen „Zeitplan vorlegen für die Ausarbeitung einer Verfassung und die Durchführung von Wahlen“. Doch abgesehen davon, dass auch weiterhin jegliche Vorlage des Regierungsrates dem Veto von US-Statthalter Paul Bremer unterliegen soll – dass sich der Regierungsrat innerhalb der nächsten acht Wochen auf einen Zeitplan und die Modalitäten für die Ausarbeitung einer Verfassung einigen kann, ist angesichts der bislang gescheiterten Versuche zumindest zweifelhaft (siehe Text unten). Zumal der Rat immer stärker angefeindet wird und nicht sicher ist, ob er Mitte Dezember überhaupt noch existieren wird. Bewaffnete Anhänger des irakischen Schiitenführers Muktada al-Sadr besetzten am Dienstag in Nadschaf zwei Gebäude für das „Außenministerium“ und das „Innenministerium“ einer künftigen Schattenregierung, die Sadr in Konkurrenz zu dem Regierungsrat schaffen will. Sadr selbst wies Berichte zurück, wonach er ein solches Schattenkabinett bereits gebildet habe. Er wolle damit warten, „bis das irakische Volk seine Meinung dazu geäußert hat“.

Über die Rolle der UNO im Irak heißt es in dem neuen Entwurf lediglich, dass Generalsekretär Annan über den Einsatz einer größeren UN-Mission „je danach entscheiden“ soll, „ob die Umstände es erlauben“. Doch die Kompetenzen der UNO sollen weiterhin beschränkt bleiben auf humanitäre Aufgaben sowie die Beteiligung an der Ausarbeitung einer Verfassung und die Organisation und Überwachung künftiger Wahlen.

Der neue Resolutionstext sei „völlig unzureichend“, hieß es gestern in der Umgebung Annans. Chinas Botschafter Wang Guangya forderte „weitere Verbesserungen“. Die Resolution müsse der UNO eine „zentrale und fundamentale Rolle zuweisen“. Entsprechend äußerten sich UN-Diplomaten Russlands. Frankreichs Außenminister de Villepin verbarg am Rande des EU-Außenministertreffens in Luxemburg am Montagabend seine Unzufriedenheit mit dem neuen Entwurf hinter der Formulierung, die US-Vorschläge müssten erst noch „genauer analysiert“ werden. Sein deutscher Amtskollege Fischer bemühte sich zwar um ein positives Signal mit der Äußerung, der Entwurf bedeute „einen Schritt weiter in die richtige Richtung“. Doch zugleich erklärte ein hochrangiger deutscher Diplomat, der in New York an den Verhandlungen beteiligt ist, „in den Kernfragen“ habe es „in Washington keine Bewegung gegeben“. Frankreich, Russland und Deutschland legten Änderungen zum US-Entwurf vor. Diese zielen auf eine überschaubare Übertragung der Souveränität an die Iraker und die stärkere Rolle der UN.

Wenn in den nächsten Tagen keine neue Irak-Resolution zustande kommt, dürfte die Geberkonferenz in Madrid noch mehr in Frage gestellt werden. Schon die bislang – noch in Erwartung einer Resolution – gemachten Ankündigungen für das Treffen, von dem Washington die Zusage zweistelliger Milliardenbeträge erwartet, lohnen kaum den Aufwand der Veranstaltung. Die EU stellt 200 Millionen Euro in Aussicht.