„Feste Ladenzeiten sind eine deutsche Macke“

Der Handel kann sich intelligent den Kundenbedürfnissen anpassen, wenn das Ladenschlussgesetz wegfällt, meint Nils Busch-Petersen vom Berliner Einzelhandelsverband. In Ländern ohne Regelung hätten Geschäfte seltener offen

taz: Herr Busch-Petersen, geht der Einzelhandelsverband mit der Haltung des Senats d’accord, was die Liberalisierung des Ladenschlusses angeht?

Nils Busch-Petersen: Der Regierende Bürgermeister vertritt von Anfang bis Ende die Position des Einzelhandelsverbandes. Wir sagen ebenfalls: montags bis sonnabends keine Beschränkung, was die Öffnungszeiten angeht. Über den Sonntag – bei grundsätzlichem Respekt vor dem siebenten Tag – müssen wir reden, um zu einer vernünftigen Anzahl von offenen Tagen zu kommen.

Länger zu öffnen bedeutet für die Läden aber nicht, mehr Geld in der Kasse zu haben. Es findet eine Umverteilung statt. Sind die Discounter die Profiteure?

Nein. Die Discounter schließen schon jetzt häufig weit vor den anderen Geschäften in den Einkaufsstraßen. Profitieren werden sicherlich Top-City-Lagen und periphere Lagen.

Aus Sicht der Händler – wo ist der Vorteil?

Der Handel kann sich intelligent den Kundenbedürfnissen anpassen. Wenn das Gesetz fällt, lautet meine erste Empfehlung an die Kaufleute deshalb auch: Reduziert die Öffnungszeiten. Beschränkt euch auf die Zeiten, in denen es interessant ist, zu verkaufen.

Also mittags aufmachen und spät abends schließen?

Das wird es künftig geben. Mich beruhigt, dass Länder ohne Ladenschlussgesetz die mit den kürzesten Öffnungszeiten sind, aber mit guten Erträgen.

Zum Beispiel?

England hat kürzere reale Wochenöffnungszeiten, obwohl die kein Gesetz haben. Auch in Las Vegas sind die Öffnungszeiten kürzer. Diese deutsche Macke, alles gesetzlich zu regeln, führt dazu, zu Zeiten offen zu haben, an denen es sich nicht rechnet.

Wird es rund um die Uhr Öffnungszeiten geben?

Möglicherweise. Aber in einer kleinen verschwindenden Anzahl, wie wir es aus London oder anderen Ländern kennen. Ich glaube aber nicht, dass die 22-Uhr-Klippe einfach so fällt. Da ist die Arbeitszeitordnung vor.

Die Gewerkschaften sagen, die Liberalisierung werde auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen.

Falsch. Wir haben in der Stadt eine 37- – beziehungsweise in den östlichen Bezirken – eine 38-Stunden-Woche. Keiner wird auch nur eine halbe Stunde länger arbeiten.

Es wird befürchtet, dass vor allem die Frauen die Leidtragenden sind.

Wozu gibt es eigentlich Tarifverträge mit klaren Schutzbestimmungen, dass alleinerziehende Mütter und Väter zu bestimmten Zeiten nicht eingesetzt werden dürfen?

Was ist die Folge für die Ladenvielfalt – werden es die kleinen und mittleren Betriebe in Zukunft noch schwerer haben?

Die Marktanteile der inhabergeführten Geschäfte sind stark rückläufig. Die Ausdünnung wird weitergehen, bis die kritische Masse erreicht ist, aber das hat nichts mit dem Ladenschlussgesetz zu tun. In dieser Stadt Berlin gibt es trotz der Misere – wir sind im dreizehnten Jahr in Folge im Umsatzrückgang – eine hohe Gründungsdynamik. Im vorigen Jahr haben 1.000 Läden mehr aufgemacht, als geschlossen haben. Das muss man positiv sehen.

In Ihrem Job muss man Optimist sein, oder?

Wenn ich das nicht wäre, wäre ich nicht beim Handel, sondern bei den Bestattern.

INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE