„Europäische Militärexperten im Kongo könnten sinnvoll sein“, sagt Aldo Ajello

Handlungsfähige Truppen müssen ruandische Hutu-Milizen und burundische Rebellen im Ostkongo entwaffnen

taz: Die UNO will ihre Mission in der Demokratischen Republik Kongo (Monuc) von knapp 11.000 auf knapp 24.000 Soldaten vergrößern und Kofi Annan wünscht einen europäischen Beitrag. Was denken Sie dazu?

Aldo Ajello: Annans Plan ist vernünftig. Aber es gibt Probleme damit. Zum einen geht er nicht auf die Kostenfrage ein. Vermutlich würde die Monuc dann pro Tag 3,5 Millionen statt 2 Millionen Dollar verschlingen, und über eine Milliarde Dollar im Jahr. Damit haben wir eine Problem. Zum anderen geht es nicht nur um die Anzahl von Blauhelmsoldaten, sondern auch um ihre Qualität. Wenn es 23.000 Soldaten vom Niveau derer sein sollen, die heute im Kongo stationiert sind, ist das Geldverschwendung. Im Moment haben wir Truppen für Peacekeeping, und die haben keine Lust, ihr Leben in Kampfeinsätzen zu riskieren. Der UN-Generalsekretär muss mit den truppenentsendenden Ländern verhandeln und ihnen sagen, dass es um Friedenserzwingung gehen wird, keinen Urlaub im Club Med! Ein weiteres Problem ist die Sprache. Der Generalsekretär will mehr Soldaten aus Indien und Pakistan. Die können sich im Kongo nicht verständigen und werden von ihrem Umfeld abgeschnitten sein.

Sollte Europa also Soldaten schicken?

Ich denke, dass Europa etwas tun könnte. Aber von einer Entscheidung sind wir weit entfernt. Man könnte Analytiker und Geheimdienstler schicken. Und man könnte den UN-Truppen Zugang zu Satellitenüberwachung geben, um ihr Informationsniveau zu verbessern.

Sie meinen, dass man per Satellit feststellen kann, ob irgendwo vier ruandische Milizionäre durch den Wald laufen?

Vier Milizionäre nicht. Aber eine ruandische Armee, die die Grenze überschreitet, schon. Das Problem ist ja auch, die einlaufenden Informationen zu interpretieren. Auch hier könnten wir etwas tun. Und Europa könnte Druck auf die USA ausüben, damit sie realistischer sind. Vorletzte Woche sprachen die Amerikaner von maximal 3.500 zusätzlichen Soldaten im Kongo!

Wäre es eine reelle Option, private Militärfirmen im Kongo einzusetzen?

Darüber wird in New York schon lange geredet, schon seit den 90er-Jahren. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Option wieder auf den Tisch kommt.

Eine der großen Herausforderungen für UN-Truppen im Afrika der Großen Seen besteht darin, gegen irreguläre Milizen vorzugehen. Dass Massaker an 163 kongolesischen Flüchtlingen in Gatumba in Burundi im August hat das deutlich gemacht. Gibt es jetzt Aussichten auf entschlosseneres Handeln?

Es gibt Konsens über die Notwendigkeit, eine Brigade aufzustellen, um im Ostkongo die ruandischen Hutu-Milizen zu entwaffnen. Auch die burundischen FNL-Rebellen werden davon betroffen sein. Indem die FNL die Verantwortung für das Flüchtlingsmassaker übernahm, hat sie politischen Selbstmord begangen.

Das Massaker von Gatumba ließ beinahe den Friedensprozess im Kongo platzen: Die RCD-Rebellen des Kongo traten aus der Allparteienregierung aus. Sie haben dann vermittelt. Wie wurde diese Krise gelöst?

Es war eine gemeinsame internationale Operation, unter südafrikanischer Führung und mit europäischer Beteiligung. Zusammen konnten wir uns den Kräften entgegenstellen, die den Friedensprozess torpedieren wollen, weil sie dadurch Macht verlieren.

Wer sind die genau? Ehemalige Minister?

Alle möglichen Leute. Wir haben sie in die Schranken gewiesen. Zunächst schaltete sich Südafrikas Präsident Thabo Mbeki bei Präsident Joseph Kabila ein. Dann haben wir Goma besucht (Hauptstadt der RCD-Rebellen im Osten Kongos), um Azarias Ruberwa (RCD-Führer und Vizepräsident des Kongo, der sich aus der Regierung zurückgezogen hatte) die Chance zu geben, sich vom Druck der Extremisten in den eigenen Reihen zu lösen. Er hatte ja in einem Punkt Recht: Es war nötig, den Stand des Friedensprozesses zu evaluieren und zu überlegen, wo Korrekturen nötig sind. Ich sagte ihm, dass eine Neuverhandlung der Friedensverträge ausgeschlossen ist, dass er mit dem Rückzug aus der Regierung einen Fehler macht und dass er die Allparteieninstitutionen nicht verlassen darf. Er hat die Kritik angenommen, weil im Gegenzug seine Kritik angenommen wurde. Alle Punkte, die Ruberwas RCD angesprochen hatte, wurden in Kinshasa diskutiert. Mbeki schaffte es auch, dass zum ersten Mal der für die Demobilisierung und Armeereform zuständige kongolesische Sicherheitsrat zusammentritt.

Nun muss aber auch etwas dabei herauskommen.

Sicher. Aber jede Krise ist auch eine Chance. Das internationale Diplomatengremium CIAT („Internationales Komitee zur Überwachung des Übergangsprozesses“, das in Kinshasa regelmäßig den Zustand des Friedensprozesses bewertet), soll jetzt die Umsetzung der Vereinbarungen regelmäßig überwachen, notfalls alle zwei Wochen. Die Präsidentschaft des Kongo wird sein institutionalisierter Ansprechpartner sein und kann zu seinen Treffen zitiert werden.

Die Allparteienregierung ist aber bei den Kongolesen ziemlich unbeliebt. Kann man den Friedensprozess voranbringen, indem man von außen eine unbeliebte Institution stärkt?

Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir können aber verhindern, dass die Institution zusammenbricht.

INTERVIEW: FRANÇOIS MISSER