SYRIEN NUTZT SEINE TRUPPEN IM LIBANON ALS STILLE VERHANDLUNGSMASSE
: Schurkenstaat auf Bewährung

Man möchte wahrlich nicht in den Schuhen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad stecken. Erst setzt Washington sein Land mit Sanktionen unter Druck und fordert eine bessere Kontrolle der irakischen Grenze, um das Einsickern von Dschihad-Kämpfern zu verhindern. Dann verlangt die Bush-Regierung den Rückzug syrischer Truppen aus dem Libanon. Dort hatte sich auch schon die politische Elite öffentlich gegen jede weitere direkte syrische Einmischung gewehrt, nachdem Damaskus eine Verfassungsänderung erzwang, um so den Syrien genehmen libanesischen Präsidenten weitere drei Jahre im Amt zu halten.

Und schließlich wird auch noch eine völkerrechtlich bindende Resolution des UN-Sicherheitsrats verabschiedet, in der ebenfalls der Rückzug der Syrer aus ihrem libanesischen Nachbarland gefordert wird. Zwar wurde die mit einer hauchdünnen Mehrheit verabschiedet, aber zu Assads Überraschung gehörte auch das nicht gerade als US-hörig bekannte Frankreich zu den Staaten, die die Resolution in den Rat einbrachten.

Syrien war schon auf dem besten Wege, auf der Liste der „Schurkenstaaten“ nach oben zu rutschen. Mindestens ist es aber ein Land unter strenger internationaler Beobachtung: eine Art „Schurkenstaat auf Bewährung“. Offensichtlich hat Assad nun beschlossen, das Druckventil ein wenig zu öffnen – und deshalb einen weiteren Teilrückzug seiner Truppen aus dem Libanon befohlen.

Anders als Saddam Hussein möchte sich Assad nicht mit Washington anlegen. Insgeheim hoffen die Syrer auf freundliche Beziehungen zur Supermacht, wenngleich sie auch wissen, dass zwischen Damaskus und Washington immer die israelische Regierung stehen wird, die alles daransetzt, die feindlichen Syrer international anzuschwärzen. Aber Assad hat wohl erkannt, dass die übliche syrische Aussitztaktik diesmal nicht ausreicht. Die lange Grenze zum Irak und die syrischen Truppen im Libanon sind nicht nur ein Fluch. Beides stellt auch eine Verhandlungsmasse dar, die es auszunützen gilt, um die Bewährungszeit unbeschadet zu bestehen. KARIM EL-GAWHARY