Nachbarschaft nach Wahl

Autofrei, autonom, ökologisch, generationsübergreifend, geschlechtsspezifisch: Die Nachfrage nach Wohnprojekten ist groß, der Weg dahin aber voller Hindernisse. Rat und Tipps gibt es ab Freitag auf der Infobörse Hamburger Wohnprojekttage

Was als Ausfluss der Hausbesetzerszene begann, ist jetzt hoffähig geworden

von Marco Carini

Den vollmundigen Versprechen sind wenig Taten gefolgt: 300 Wohneinheiten pro Jahr, so kündigte Oberbaudirektor Jörn Walter vor genau einem Jahr an, sollten in Zukunft in Bau- und Wohnprojekten in der Hansestadt entstehen. „Davon sind wir noch weit entfernt“, weiß Joseph Bura vom alternativen Baubetreuer Stattbau. Denn es fehlen geeignete Grundstücke, ein praktikables Finanzierungsmodell und eine unbürokratische Förderung. Noch immer dauere die Realisierung eines gemeinschaftlichen Wohnprojektes sieben bis acht Jahre.

„Die institutionellen Rahmenbedingungen müssen mit Leben und Praxis gefüllt werden“, fordert Bura. Zwar hat der Senat die Förderung von Bau- und Hausgemeinschaften sogar in sein Regierungsprogramm aufgenommen und als Ansprechpartner die Agentur für Baugemeinschaften (Tel: 428 40 - 23 33) als Abteilung der Baubehörde gegründet.

Doch zu selten werden geeignete städtische Flächen für Baugemeinschaften reserviert – denn häufig versucht die Stadt, ihre wenigen Grundstücke meistbietend auf den Markt zu werfen. Wohnbaugenossenschaften haben dann selten eine Chance, den Zuschlag zu erhalten. Gefördert werden zudem InteressentInnen mit geringem Einkommen, von denen dann aber wieder ein hoher finanzieller Eigenanteil gefordert wird, damit die Restsumme über die Wohnungsbaukreditanstalt finanziert werden kann. Bürokratische Hürden und eine fehlende Lobby innerhalb des Verwaltungsapperates tun ein Übriges, um den Weg zum Wohnprojekt zum Marathon werden zu lassen.

Nachfrage indes gibt es genug. „Die InteressentInnen rennen uns die Bude ein“, berichtet Bura. Was einst in den achtziger Jahren als Ausfluss der Hausbesetzerszene begann, ist inzwischen hoffähig geworden. Autofreie und autonome Wohnprojekte haben sich etabliert, Ökosiedlungen wurden gebaut, generationsübergreifendes und geschlechtsspezifisches Wohnen findet in Hamburg genauso Platz wie das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderungen.

Gemeinsam ist den vielfältigen Projekten der Wunsch ihrer BewohnerInnen mit NachbarInnen, mit denen man sich versteht, in einen selbst gewählten sozialen Zusammenhang zu leben. Auch immer mehr ältere Menschen sind nach den Erfahrungen von Stattbau an solchen Projekten interessiert. Denn sind die Kinder erst aus dem Haus, stellt sich die Frage nach einer Wohnzukunft bis ins hohe Alter neu.

Am kommenden Wochenende finden nun in der Hochschule für Wirtschaft und Politik – bereits zum sechsten Mal – die Hamburger Wohnprojekt-Tage statt. Die von Freitagnachmittag bis Samstagabend andauernde Veranstaltung soll Interessierte und Wohnprojekt-BewohnerInnen, Fachleute und Laien zusammenführen und Raum für Diskussion und Information geben.

Stadtrundgänge und Projektbesichtigungen gehören ebenso zum Tagungsprogramm wie Debatten zwischen PolitikerInnen, Verwaltungsfachleuten und Bauträgern.

Das Programm kann bei Stattbau (Tel: 040 / 432 942-0) angefordert oder direkt (www. stattbau-hamburg.de) auf den Schirm geladen werden.