Finanzielle Gewalt gegen Frauen

Koalition zieht Kürzungen bei Frauenhäusern durch, obwohl eine Studie des Frauenministeriums nach fortgesetztem Schutz ruft. Staatssekretärin räumt ein, dass Gewalt nicht nachgelassen hat

VON STEFAN ALBERTI
UND WALTRAUD SCHWAB

Die rot-rote Koalition hat gestern trotz starken Widerstands Kürzungen bei Frauenprojekten beschlossen. Besonders betroffen ist eins der sechs Berliner Frauenhäuser, das mit 70.000 Euro weniger auskommen muss. Ursprünglich waren sogar 100.000 Euro geplant. Rein zahlenmäßig erscheint das angesichts anderer Millionenkürzungen wenig. Frauenpolitisch aber ist der Beschluss höchst bedeutsam: 26 von stadtweit rund 300 Plätzen in Frauenhäusern sollen wegfallen. Dabei stellt eine aktuelle Studie des Bundesfrauenministeriums ein enormes Gewaltaufkommen gegen Frauen fest. Danach wird jede vierte Frau in ihrem Leben mindestens einmal von ihrem Mann oder Partner angegriffen oder misshandelt.

Einen sachlichen Grund für die Sparmaßnahme konnte auch die zuständige parteilose Staatssekretärin Susanne Ahlers aus der PDS-geführten Senatsverwaltung für Frauen nicht nennen. „Die Kürzungen sind der Haushaltskonsolidierung und nicht einer Bestandsaufnahme von Frauenhausplätzen geschuldet“, sagte Ahlers gestern im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses. Die Gewaltsituation habe sich nicht verbessert. Auch nicht durch das Gewaltschutzgesetz, wie die Gewerkschaft der Polizei darlegte.

Insgesamt strich Rot-Rot bei Frauenprojekten 250.000 Euro, 100.000 weniger als geplant. CDU, Grüne und FDP stimmten gegen die Kürzung. Ausschusschef Ralf Wieland (SPD) hatte zuvor auf eine Mappe mit neuen Protestunterschriften verwiesen. Im Saal verfolgten Mitarbeiterinnen von Frauenprojekten kopfschüttelnd die Diskussion.

Ahlers argumentierte mit 14 Zufluchtswohnungen, die die wegfallenden 26 Plätze ersetzen sollen. Betroffene sollen die Frauenhäuser früher als bislang, möglichst nach drei Monaten, wieder verlassen und dann in diese Wohnungen wechseln. Anders als in Frauenhäusern gibt es dort weder Betreuung noch Sicherheitsmaßnahmen. Deshalb sind Zufluchtswohnungen zwar billiger, für die mitunter psychisch sehr labilen Gewaltopfer aber nicht optimal.

Das 2. Frauenhaus, das aus der Frauenbewegung der 70er-Jahre hervorgegangen ist, ist auch deshalb auf die Kürzungsliste geraten, weil Grundstück und Gebäude verkauft werden sollen. Selbst mit den nun verbliebenen 34 Plätzen kann die Einrichtung nur weiter bestehen, wenn ein mietfreies Ersatzobjekt gefunden wird. Wer im Senat für die Suche zuständig ist, muss noch geklärt werden. Bisher gehen die Mitarbeiterinnen des Hauses davon aus, dass sie das Gebäude selbst finden sollen.

Ahlers bestritt Befürchtungen der CDU, dass künftig eine Frau mit Kind vor einem Frauenhaus stehen und abgelehnt werde. Laut Ahlers geht das allein deshalb schon nicht, weil die Adressen geheim sind. In den vergangenen Jahren sei es nur ein- oder zweimal vorgekommen, dass in Berlin alle Plätze belegt gewesen seien. Die Sprecherin des 2. Frauenhauses widerspricht: „Allein letztes Jahr gab es dreimal einen Aufnahmestopp.“

Die sechs Frauenhäuser sind laut Ahlers zu rund 90 Prozent ausgelastet. Wissenschaftlichen Untersuchen zufolge allerdings sind sie zu 97 Prozent ausgelastet. Beim von den Kürzungen besonders betroffenen 2. Frauenhaus liegt die Quote dem Vernehmen nach sogar über 98 Prozent. Die grüne Frauen- und Haushaltspolitikerin Ramona Pop nannte die Kürzungen „nicht nachvollziehbar“. Für die PDS-Abgeordnete Elke Breitenbach zu viel der Aufregung: „Wir haben in der Stadt mehrere Frauenhäuser und nicht nur eins.“

Das betroffene 2. Frauenhaus ist aber offenbar das einzige, in das misshandelte Mütter auch über 14-jährige Söhne mitnehmen können, was anderswo nicht geht. Mitarbeiterin Afsaneh Bokharai konnte Ahlers Argumente nicht nachvollziehen. Vor allem den Kindern fehle es in den Zufluchtswohnungen an Betreuung.