Die Politik der freien Hand

Auf ihrem Landesparteitag lässt die sozialdemokratische Parteibasis dem Senat jede Option in der Frage des Ankaufs von SWB-Anteilen offen – aller Anti-Privatisierungsrhetorik zum Trotz

VON JAN ZIER

Die Stimme der Grundsatzkritik auf diesem SPD-Landesparteitag gehörte einer älteren Dame mit Schlafstörungen. „Unsägliches Widergekäue“ nannte sie das, was der Parteivorstand ihr da 22 Seiten lang als „Bremer Impulse“ für das Bundestagswahlprogramm aufgeschrieben hatte. Ein Schlafmittel. Als solches aber zu loben. „Nur eine Zustandsbeschreibung“ sei das, was die SPD hier größtenteils anbiete, etwa dort, wo es um die Finanzkrise geht. Der Beifall vieler der 186 Delegierten war ihr sicher. Anschließend beschlossen sie das Papier mit nur einer Gegenstimme. Eines, mit dem die Bremer SPD eine „lange Tradition“ fortsetze, wie Landesparteichef Uwe Beckmeyer zuvor erklärte: Die Politik der Einmischung in die Bundespartei. Dort, wo es um bremische Interessen geht, beim Punkt „Föderalismus“ beispielsweise, beschränkt sich der Text indes auf Gemeinplätze.

Lieber ganz heraushalten wollte sich die Partei indes aus der Frage, ob das Land denn nun die aktuell zum Verkauf stehenden Mehrheitsanteile an der SWB kaufen soll oder nicht. Der Senat muss darüber bis zum 6. April entscheiden – und hat dafür von der Basis völlig freie Hand bekommen. Bürgermeister Jens Böhrnsen schwärmte zwar von der „unvergleichlichen Möglichkeit“, die Zukunft des regionalen Energieversorgers zu gestalten. Wie, darüber wollte er auf dem Parteitag nicht debattieren. Die rot-grüne Landesregierung werde „Verantwortung wahrnehmen“, sagt er nur. „Wir brauchen da freie Hand“, forderte auch sein Wirtschaftssenator Ralf Nagel, und Fraktionschef Carsten Sieling war sich sowieso sicher, „dass wir alle das Selbe wollen“. Nämlich dem „Privatisierungsterror ein weiteres Mal ein Stopp-Schild setzen“. Kein Rede davon, dass die SPD die Stadtwerke einst selbst mitprivatisierte. Stattdessen verbannte Böhrnsen die „Privatisierer“ und „Deregulierer“ in markigen Wirten „von der politischen Bühne“ und „in den Müllhaufen der Geschichte“.

Verschiedene Versuche, die Landesregierung auf einen Ankauf oder den Besitz einer Sperrminorität von 25,1 Prozent zu verpflichten, fanden in der SPD jedoch nur ein gutes Dutzend BefürworterInnen.

Genau dies forderte jedoch der Vorsitzende des SWB-Konzernbetriebsrates Ulrich Meyer. „Der Einfluss des Landes Bremen muss langfristig gesichert sein“, so Meyer, der einen Verkauf an die in Oldenburg ansässige EWE ablehnt. Sie hält bereits 49 Prozent der Anteile. Nagel hofft auf einen Anteilseigner mit „Kapitalkraft“, den sich auf bremische Standortinteressen festlegen lässt. Und Sieling sucht jemand, der „keine finanziellen Eigeninteressen“ verfolgt. Meyer fordert, dass es bis 2020 nicht zu betriebsbedingten Kündigungen kommen darf.

Angesichts aktueller Meldungen, wonach beim Gesamthafenbetriebsverein gegenwärtig 1.400 Jobs in Gefahr sind, forderte Beckmeyer, auch über maritimen Unternehmen einen „Schutzschirm“ zu spannen. Der Verein beschäftigt 2.300 HafenarbeiterInnen und verleiht diese an die Umschlagsbetriebe, wenn sie zusätzliches Personal benötigen. Zur Finanzierung solcher staatlichen Hilfen will Böhrnsen eine Börsenumsatzsteuer einführen und zudem den in den vergangenen Jahren mit SPD-Hilfe mehrmals gesenkten Spitzensteuersatz wieder anheben.