Hermetische Welt der Rechten

Mit Gewalt und Kaderschulungen beherrscht die NPD Kieze in Treptow-Köpenick. Projekten, die sich dagegenstellen, werden von Land und Bund die Mittel gekürzt

Rechtsextreme haben nicht nur bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen Zulauf. Auch in Berlin verbreitet sich die braune Brut. „Die NPD schickt sich an, in Köpenick Fuß zu fassen“, warnt Günter Piening, Senatsbeauftragter für Integration und Migration. Dabei setzen Nazis offenbar stärker auf Gewalt, wie der aktuelle Verfassungsschutzbericht belegt. 2003 kam es in Berlin zu 70 Gewaltdelikten mit rechtsradikalem Hintergrund – im Vorjahr waren es 52. Die NPD versucht sich aber auch mit legalen Mitteln zu etablieren.

Laut Bianca Klose, die für die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR) in Treptow-Köpenick arbeitet, sind Pienings Befürchtungen noch stark untertrieben. „In Treptow-Köpenick hat sich mitten in der demokratischen Gesellschaft eine hermetische Welt der Rechten gebildet“, sagt Klose. Nazis würden dort die Jugendlichen direkt von der Schule zu nationalistischen Kaderschulung bringen. Auch zum Arbeitsamt würden sie begleitet. Zudem richten sie spezielle Kneipenabende aus. Das NPD-Netzwerk beschränke sich nicht nur auf stärkere Kooperation mit Neonazis wie mit Kameradschaften, etwa der „Berliner Alternative Süd-Ost“ (BA-SO), vor deren wachsenden Aktivitäten der Berliner Verfassungsschutz warnt.

Auch in der Öffentlichkeit versuchten die Rechten ihr Gedankengut salonfähig zu machen. „Die NPD greift mit demokratischen Mitteln ins lokalpolitische Tagesgeschäft ein, tritt unerkannt bei Diskussionsrunden auf und zwingt die Politiker in die Auseinandersetzung mit ihr“, warnt Klose. „Dabei ist deren Missbrauch gegen die Demokratie kaum noch ersichtlich.“ So deutlich wie beim Spendenaufruf in ihrem Hetzblatt Deutsche Stimme für das auf dem Gelände der NPD-Bundesgeschäftsstelle in Köpenick geplante Bildungszentrum wird die NPD nur noch selten. Dort krakeelte sie noch unverhohlen vom „Kampf für die Befreiung unseres Volkes“.

Um den braunen Sumpf einzudämmen, unterhält das Land zurzeit 35 soziale Projekte wie beispielsweise das Anne-Frank-Zentrum in Mitte. „Dabei setzen wir vor allem auf den Schutz und die Beratung von Opfern rechter Gewalt sowie auf Netzwerke und die MBR“, sagt Andreas Germershausen, Mitarbeiter im Arbeitskreis Antidiskriminierung des Senatsbeauftragten Piening. Der hofft über die MBR und die anderen Projekte die Gesellschaft so stärken zu können, dass sie ein demokratisches Wir-Gefühl gegen rechts schaffe. Für Parteienforscher Richard Stöss von der FU Berlin heißt das, die Ächtung von rechtem Denken in der sozialen Mentalität zu verankern.

Mentalitätsbildende Maßnahmen sind aber kostspielig, auch wenn es dabei nach Kloses Meinung gar nicht um die tief in brauner Ideologie verwurzelten Mentalitäten geht. Geld jedoch fehlt dem Land. Nachdem Berlin die Projekte in diesem Jahr noch 1,5 Millionen Euro finanzierte, werden es 2005 nur noch 1,2 Millionen sein. Hinzu kommt, dass die drei Programme „Xenos“, „Civitas“ und „Entimon“, mit denen der Bund die Länder seit 2001 mit 60 Millionen Euro bei ihrer Arbeit gegen rechts unterstützte, Anfang 2006 auslaufen. Das Ende einiger der 35 Berliner Projekte ist unvermeidlich.

„Die gleiche Anzahl mit weniger Geld finanzieren bringt nichts“, gibt Germershausen offen zu. Der Ebbe in der Landeskasse stehen gefüllte Parteikassen von DVU und NPD gegenüber. Dank ihrer Landtagsfraktionen in Brandenburg und Sachsen erhalten beide gemäß dem Parteiengesetz Geld aus der Staatskasse. Während Piening sparen muss, kann die NPD in Köpenick weiter investieren.STEFAN KLOTZ