Ein Blindfisch für den Senator

Mit der Überreichung des Blindfisches schlägt der Bremer Blinden- und Sehbehindertenverein Protest gegen die geplante Streichung des Landespflegegeldes

Bremen taz ■ Den „Blindfisch“ für Finanzsenator Ulrich Nussbaum (parteilos) hatten sie bereits dabei, doch zunächst mussten sich die Vertreter des Blinden- und Sehbehindertenvereins Bremen (BSVB) gedulden. Finanzstaatsrat Henning Lühr, der das Symbol für die Kampagne „Augen auf!“ entgegennehmen sollte, stecke in einer Besprechung und werde sich etwas verzögern. „Das klingt ja wie im ICE!“, bemerkte Vereinssprecher Uwe Boysen süffisant und machte klar: „Wir sind zwar blind, aber nicht stumm.“

Anlass des Radaus: Die Streichung des Landespflegegeldes, wie sie die Bremer Koalitionsvereinbarung vorsieht. Derzeit beziehen 816 Menschen die Unterstützung, die ihren behinderungsbedingten Mehraufwand ausgleichen soll. 692 davon sind blind oder stark sehbehindert. Mit monatlich gezahlten 344 Euro ist Bremen Schlusslicht unter den westdeutschen Bundesländern. „Damit leisten wir seit mehr als 15 Jahren unseren Beitrag zur Sparpolitik“, so Uwe Boysen.

Die komplette Streichung des vermögens- und einkommens-unabhängigen Zuschusses wage bislang kein zweites Bundesland. Und ob sie der Entlastung des Haushalts dient, bezweifelt der BSVB. Da die große Mehrheit blinder Menschen nicht erwerbstätig ist, hält es Hans-Joachim Steinbrück, Sprecher der Initiative, für wahrscheinlich, dass viele, die sich jetzt mit dem Landespflegegeld begnügen, künftig Blindenhilfe einfordern. Diese wird alternativ zum Landespflegegeld an diejenigen ausgezahlt, die nach dem Sozialhilfegesetz ein Anrecht darauf haben. Der Blindenhilfe-Satz liegt bei 585 Euro. „Wenn etwa 75 Prozent der heutigen Landespflegegeldempfänger die Blindenhilfe beantragen, bleiben die Ausgaben gleich“, erläutert Hans-Joachim Steinbrück.

Den Wegfall von Bezügen, die Blinde unabhängig vom Geldbeutel erhalten, findet Steinbrück demotivierend. Kürzlich habe ihn eine Bekannte aus dem Blindenverein gefragt, warum sie sich noch in der Arbeitswelt durchboxen und nicht gleich Sozialhilfe beantragen solle.

Staatsrat Lühr versprach, nicht nur für das Fischlein gut zu sorgen, sondern auch die vorgebrachten Argumente sorgfältig zu prüfen. Am 9. 11. tagt der Koalitionsausschuss zu den Sparvorhaben – dann fällt die endgültige Entscheidung über das Landespflegegeld. vb