Sammlung im Ordner „Meine Kinderpornos“

Nach einer internationalen Polizeiaktion ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin in 26 Fällen. Auch ein Lehrer, ein BGS-Beamter und ein Polizist sollen Bilder auf dem Rechner gesammelt haben. Es drohen Haftstrafen von bis zu einem Jahr

Der Verdacht kam aus Sachsen-Anhalt. Von dort aus wurden die Ermittlungen einer weltweiten Polizeiaktion gegen Kinderpornografie in Deutschland geleitet. 26 Fälle seien vom LKA Sachsen-Anhalt Ende September nach Berlin weitergeleitet worden, erklärte Justizsprecherin Andrea Böhnke.

An einem bundesweit abgestimmten Tag, dem 24. September, schlugen die Polizisten dann auch hier zu. Dabei wurden 24 Computer konfisziert. Die zeitgleichen Beschlagnahmungen sind Böhnke zufolge notwendig. Wären die Ermittler schrittweise vorgegangen, hätten manche Nutzer womöglich frühzeitig von der Aktion erfahren.

Zurzeit werden die beschlagnahmten Festplatten ausgewertet. Das kann nach Polizeiinformationen bis zu zwei Jahre dauern. Über den genauen Zeitraum könne nur spekuliert werden, so Böhnke. Schließlich lägen die Daten in unterschiedlichen Formen vor: „Der Typ Buchhalter legt einen Ordner als ‚Meine Kinderpornos‘ an. Andere benutzen ausgeklügelte Verschlüsselungssysteme.“ Anderswo ist vielleicht gar nichts zu finden. Denn für alle gilt grundsätzlich die Unschuldsvermutung.

„Nur nicht für Polizisten“, beklagt Gabriela Gedaschke, Sprecherin der Berliner Polizei. Zu den Verdächtigen zählt nämlich auch ein Polizeibeamter. Der ist zurzeit krank gemeldet und bestreitet den Vorwurf. Solange noch keine Beweise gegen ihn vorliegen, wollen seine Vorgesetzten ihn laut eines Polizeisprechers weder versetzen noch vom Dienst suspendieren. Auch die Rechner eines Beamten des Bundesgrenzschutzes, eines Lehrers und einer Frau wurden konfisziert. Weil Frauen bisher nicht als Konsumenten von Kinderpornografie galten, schließen die Ermittler nicht aus, dass jemand anderes den Computer genutzt hat. Der BGS-Beamte soll nach Informationen des Tagesspiegels schon gestanden haben.

Jenseits der aktuellen laufen weitere Ermittlungen wegen Kinderpornos: Bis zum Jahresende werde sich die für verbotene Pornografie zuständige Abteilung der Berliner Staatsanwaltschaft mit etwa 800 Verfahren beschäftigt haben, schätzt die Justizsprecherin. „Ungefähr 90 Prozent sind Ermittlungen wegen Kinderpornografie“, so Böhnke. Bei manchen Verfahren wurde aber nur wegen einer Junk-Mail Anzeige erstattet. „Die sind sofort wieder geschlossen.“

Für den Austausch von kinderpornografischen Darstellungen drohen Höchststrafen von einem Jahr Freiheitsentzug. Dazu muss nachgewiesen werden, dass die pornografischen Seiten nicht nur angesehen, sondern auch abgespeichert wurden. Es genügt eine Datei im „Cache“ genannten Kurzzeitspeicher des Browsers. Nach einer neuen Gesetzesvorlage der Bundesregierung soll das maximale Strafmaß auf fünf Jahre erhöht werden. Darüber verhandelt zurzeit der Vermittlungsausschuss.

Schon im Dezember vergangenen Jahres waren zwei Berliner Lehrer wegen Besitzes kinderpornografischen Materials verurteilt worden. Im Juni 2003 kam ein weiteres Urteil hinzu. Insgesamt hat die Schulverwaltung vier Lehrer vorläufig suspendiert. Die Disziplinarverfahren, die teilweise schon seit dem Herbst 2000 laufen, sind bisher noch nicht abgeschlossen, so Thomas John, Sprecher des Bildungssenators. Vorwürfen des Tagesspiegels, die Schulbehörde habe einen Lehrer trotz Anschuldigungen drei Monate weiterbeschäftigt, widersprach John: „Sobald der Verdacht erhärtet war, haben wir umgehend gehandelt.“ JOHANNES GERNERT