Täglicher Kampf am Rechner

Die 13 Beamten der LKA-Abteilung LKA 131 ermitteln an ihren Computern gegen den Besitz von Kinderpornografie – und versuchen, professionellen Abstand zu wahren. Die Zahl der Fälle steigt

von JOHANNES GERNERT

Judith Dobbrow hat so viele Kinderporno-Dateien auf ihrem Computer, dass das Material gleich für mehrere Verurteilungen reichen würde. Sie sieht sich die Vergewaltigungsszenen fast täglich an. An ihrem Arbeitsplatz. Ihr Arbeitgeber unterstützt sie dabei. Dobbrow ist stellvertretende Leiterin der Abteilung 131 des Landeskriminalamts. Wenn in Berlin kinderpornografische Bilder oder Videos sichergestellt werden, dann landen sie früher oder später auf ihrem Rechner. Oder auf denen ihrer 12 Kollegen. Auch die 24 Computer, die während der international abgestimmten Polizeiaktion „Marcy“ in Berlin beschlagnahmt wurden, lagerten zwischenzeitlich in den Räumen des LKA 131.

„Marcy“ war aus Sicht des Berliner LKA ein untypisches Verfahren, weil der globale Schlag gegen die Kinderpornografie von Sachsen-Anhalt aus geleitet wurde. Für gewöhnlich erhalten die Ermittler ihre Informationen von der Zentralstelle gegen Kinderpornografie des Bundeskriminalamtes. Dort surfen BKA-Beamte „verdachtsunabhängig“ im Netz und suchen nach einschlägigen Seiten. Wenn sie einen Server ausfindig gemacht haben, von dem Kinderpornografie heruntergeladen wird, verfolgen sie die Verbindung zum Computer der Pädophilen zurück. Über die Benutzerdaten der Software können anschließend die Wohnsitze festgestellt werden.

Liegen diese in Berlin, erhalten die Beamten des LKA 131 die Adressen. Wenn der zuständige Richter den Verdacht als ausreichend betrachtet, bekommen sie auch einen Durchsuchungsbefehl. Durchschnittlich stoßen sie bei einer solchen Durchsuchung auf 2 Festplatten, etwa 100 Datenträger, also CDs, DVDs oder Disketten, und 100 bis 200 Videokassetten. 200 bis 20.000 Bilddateien kommen so auf einen Angeklagten. „Die höchste Anzahl waren einmal 5.000 Videos. Da haben wir ein ganzes Lebenswerk zerstört“, sagt Oliver Knecht, der Leiter des Dezernats für Sexualdelikte.

Seit eine eigene Abteilung für Kinderpornografie gegründet wurde, das war 1997, nehmen die Fälle in Berlin laut Knecht „massiv zu“. „Die höchste Steigerungsrate hatten wir von 2000 auf 2001“, erinnert er sich. Im Jahr 2002 wurde in 34 Fällen wegen Besitz, in 308 auch wegen der Verbreitung von Kinderpornografie ermittelt. In den seltensten Fällen finde „der sexuelle Missbrauch zum Zwecke der Herstellung“ in seinem Einsatzgebiet statt. Zwischen 10- und 20-mal im Jahr etwa. Meist stammten die Aufnahmen aus dem Ausland. Die kontinuierliche Zunahme führt der Dezernatsleiter darauf zurück, dass die Zahl der internationalen Großverfahren steige. Außerdem würden viele Internetnutzer sensibler und erstatteten Anzeige. „Manche rufen deswegen sogar die Funkstreife an.“

Wenn die Ermittler des LKA 131 Computer beschlagnahmt haben, werden die zunächst an eine EDV-Prüfstelle weitergeleitet. Sobald die Fachleute das Material aufbereitet haben, muss Dobbrow die Unmengen von Fotos an ihrem Bildschirm sichten, Alter der Kinder oder Jugendlichen feststellen, Details über die Wohnungen aus dem Hintergrund notieren und die Szenen beschreiben. Neben Dobbrows Computerschirm läuft währenddessen auf einem Fernseher eine Videokassette im schnellen Vorlauf. Nicht selten sind pornografische Szenen in harmlosen Filmen versteckt. Nach dem Ansehen muss alles für die Akten beschrieben werden. Wie genau jemand beispielsweise in einen Säugling eindringt. Trotz „professionellen Abstands“ nehme das die Beamten natürlich mit, sagt Knecht. Wer beim LKA 131 arbeitet, meldet sich dafür immer freiwillig. Die Motive? „Aufklären, aufdecken“, sagt Dobbrow. Sie habe sich beruflich verändern wollen. Was sie vorher gemacht hat? „Vergewaltigung.“ Trotz der Belastung verlassen eher selten Beamten das Team. „Wenn ein Wechsel erfolgt, ist das aber dringend notwendig“, sagt Knecht. Und Dobbrow sagt: „Die Kollegen meinen immer: schön, wenn man noch andere Hobbys hat.“ Sie hat andere Hobbys, „einen Partner, der das versteht und zuhört“, und Kinder hat sie auch. Auf ihrem Desktop ist ein Bild von ihrem Sohn zu sehen, wie er mit einem Schäferhund spielt. Wenn sie gerade keine Kinderpornos anschauen muss.