schwabinger krawall: jäger der sammler von MICHAEL SAILER
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Am Freitagabend stellt Herr Hammler den Wecker auf halb sechs und verkündet seiner entsetzten Gattin, morgen gehe er „in die Schwammerl“. Ob das wirklich sein müsse, fragt sie, ob er sich unbedingt umbringen wolle. Er nehme nur mit, was er kenne, sagt Herr Hammler, und er kenne jeden Pilz.

Zum Beispiel den Grünling, entgegnet seine Frau, den er jedes Mal pfundweise anschleppe und von dem jetzt ein japanischer Professor herausgefunden habe, dass er in Wirklichkeit giftig sei. Einen solchen Schmarren könne nur ein Japaner daherschwätzen, grummelt Herr Hammler, und ein Pilz, den er jahrelang beschwerdenfrei verzehrt habe, gar nicht giftig sein.

Sowieso müsse sie vom Vergiften schweigen und nur an ihre Großtante Anni denken, die irgendwann mal ein Pfund Salz in den Strudel getan und ihn dann noch allein aufessen habe wollen. Wenn man sie nicht handgreiflich gehindert hätte, wäre sie an einer NaCl-Überdosis verschieden, die qualvoller sei als der schönste Knollenblätterpilz.

Blödsinn, sagt seine Frau, es sei Tradition, dass die Köchin aufisst, was sie vermasselt, außerdem sei Salz ein Gewürz, ein Pilz hingegen im Notfall eine Krankheit, und wenn seine Familie in den Wald gehe, komme selten etwas Gutes heraus; er solle nur an seinen Onkel Xaver denken, der damals von einem Jäger erschossen wurde, weil der ihn aufgrund seiner Haartracht für einen Hirschen gehalten hat, der er auch gewesen sei, genauso wie er selber, und er solle bloß nicht glauben, dass sie ihm das Zeug auch noch zubereite. Herr Reithofer habe ihr neulich erzählt, er esse überhaupt keine Pilze, weil die nicht nur giftig, sondern auch radioaktiv seien.

Herr Hammler braust auf: Der depperte Onkel sei durchaus nicht mit ihm verwandt, sondern ein angeheirateter Gerstein aus Nederling gewesen, der Jäger so betrunken, dass er seinen Irrtum erst bemerkt habe, wie er den depperten Onkel ordnungsgemäß, wenn auch schlampig, aufgebrochen gehabt habe; der Herr Reithofer könne ihm auf den Hut steigen, das sei ein Beamter, der außer Kantinenzeug nichts mehr vertrage, Radioaktivität eine Propagandalüge der grünen Chaoten, und auf ihr Gekoche verzichte er gern, weil man Pilze sowieso besser trockne, als sie zu Rahmpampe zusammenzudämpfen. Und jetzt sei eine Ruhe, sonst komme er morgen wieder einmal nicht aus dem Bett.

Aus dem Bett kommt Herr Hammler wohl, aber nicht in den Wald, denn auf der Treppe begegnet er Herrn Reithofer, der ein grün-braunes Fernglas um den Hals und ein ledern verpacktes Gewehr über der Schulter trägt, „Im Wald, da sind die Jäger“ pfeift und Herrn Hammler fragt, ob er auch auf die „Pirsch“ gehe. Die Diskussion, die sich entspannt, wird recht laut und dauert bis weit in den Mittag hinein, dann verschieben beide ihren Plan auf „ein anderes Mal irgendwann“ und begeben sich lieber auf ein Versöhnungsbier ins Wirtshaus, wo ihre neu entdeckte Seelenfreundschaft beim Anblick der Speisentafel und einem „Rehbraten mit frischen Pfifferlingen“ weiter erblüht.