Die Siedler von Strellin

Das landwirtschaftliche Projekt von Hanne Schritt und Wilhelm Höper gibt Hoffnung: Der Landbau Ost geht voran

Der Dokumentarfilm „Lieber nach Osten als nach Kanada“ von Sophie Kotanyi und Ulli Frohnmeyer verfolgte die mehrjährige Entwicklung eines „landwirtschaftlichen Projekts“ in Mecklenburg-Vorpommern von Anne Schritt und Wilhelm Höper aus Schleswig-Holstein. Als „weichende Erben“ konnten beide den Hof ihrer Eltern nicht übernehmen. Schon immer waren solche Nachgeborenen dort nach Pommern ausgewichen.

Den beiden gelang es 1991, ein 300 Hektar großes kirchliches Gut in Strellin zu pachten, auf dem sie biologisches Getreide anbauen und eine Milchviehproduktion aufbauen wollten. Die Filmemacher sind schon lange mit den beiden befreundet: Ulli Frohnmeyer arbeitete einmal auf dem Hof von Wilhelms Eltern.

Für das junge Bauernpaar galt es erst einmal, Arbeitskräfte einzustellen und einen großen Kuhstall zu bauen. Die Landmaschinen wurden auf Kredit gekauft. Zur Einweihung des Stalls gab es ein Dorffest, und der Pfarrer der Nachbargemeinde, Schorlemmer, hielt eine Rede. Inzwischen kann die Ernte als biologisch anerkannt verkauft werden, sodass sich der Betrieb mit seinen vier bis fünf Mitarbeitern zu einem Drittel davon trägt, ein weiteres Drittel bringt die Milchproduktion, und das letzte kommt über EU-Mittel herein.

Ihren filmenden Begleitern war bei diesem „Aufschwung Ost“-Beispiel wichtig: Wie würden die Nachbarn, das Dorf Strellin und die Mitarbeiter auf die Westler reagieren? Und würden sich diese als Kolonialisten gebärden beziehungsweise als solche angesehen werden? Anne und Wilhelm trafen zunächst tatsächlich auf Skepsis und Misstrauen. „Wir hatten befürchtet, dass es schwer sein würde, dies zu dokumentieren“, meint Sophie Kotanyi, „aber die ‚Einheimischen‘ sprachen offen über ihre Gefühle vor der Kamera.“

Unerwartete Probleme gab es jedoch umgekehrt – mit Anne und Wilhelm, „die sich bald vor uns fürchteten und versuchten, ein allzu glattes Bild von sich abzugeben.

Es plagte sie die Angst, ihre Bemühungen um Akzeptanz in der Gegend könnten gefährdet werden, wenn sie sich offen über die Menschen in ihrer neuen Umgebung äußern würden. Sie versuchten deswegen zu kontrollieren, was in den Film hinein dürfte und was nicht. Außerdem bereitete unsere Kamerafrau aus der DDR, Julia Kunert, ihnen Mühe, offen zu ihren Meinungen zu stehen. Uns schubsten sie dafür mehr als einmal, damit wir unsere ‚Berührungsängste‘ mit den Einheimischen überwanden.“

In „Es lohnt sich heute mehr, nach Osten zu ziehen, als nach Kanada“, so der vollständige Gedanke von Anne, geht es auch um ihre immer noch unklare Rolle zwischen Haushalt, Kindern, Buchhaltung, Vermarktungsaktivitäten und ihrem Anspruch, Mit-Chefin auf dem Hof zu sein. Wilhelms Rolle als Chef ist vergleichsweise einfacher gestrickt, aber auch er – von antiautoritärem Gedankengut angekränkelt und bemüht, kein Besserwessi zu sein, kann und will dabei nicht einfach auf traditionelle Verhaltensmuster zurückgreifen – selbst wenn das bisweilen der eine oder andere Mitarbeiter verlangt, der eher autoritär gestrickte LPG-Kader gewohnt war, die zudem quasi wissenschaftlich in „Menschenführung“ ausgebildet wurden und ihre Anforderungen stets mit dem „Weltfrieden“ begründen konnten.

Dafür gab es „früher“ keine Entlassungen, selbst bei exzessivstem Alkoholkonsum nicht, wohl aber jetzt, bei dem neuen Gutsherrn, der nicht nur von staatlichen und marktwirtschaftlichen Strukturen abhängig ist, sondern sich auch noch mit den Zwängen der europäischen Agrarförderung auseinander setzen muss.

Erst lief der Film in Berlin und dann auch im Dorf Strellin – er fand dort viel anerkennende Worte. Wir fragen seitdem die Filmemacher immer mal wieder: Wie geht es Anne und Wilhelm? „Gut, sie haben die Anfangsschwierigkeiten überwunden!“

HELMUT HÖGE