„Ziel sollte ein EU-Sitz sein“

Der Hamburger Politologe Hans-Georg Ehrhart meint, dass auch ein deutscher Sitz im UN-Sicherheitsrat die Europäische Union stärkt. Das könne aber nur der erste Schritt sein

taz: Herr Ehrhart, was würde sich denn an der Politik des Sicherheitsrates ändern, wenn Deutschland Mitglied wäre?

Hans-Georg Ehrhart: Schauen Sie sich Deutschlands Verhalten im Sicherheitsrat in der Irakkrise an. Deutschland und die Europäische Union haben sich das Ziel eines stärkeren Multilateralismus auf die Fahne geschrieben. Das heißt konkret, nicht nur die Handlungsfähigkeit der EU, sondern auch die der Weltorganisation zu stärken.

Welche Chancen räumen Sie denn den Deutschen ein?

Nicht viele. Immer wieder hat man die Situation für günstig gehalten – und am Schluss kam nichts dabei heraus. Ich wäre überrascht, wenn die UNO sich diesmal durchringen könnte.

Wenn neben Großbritannien und Frankreich auch noch Deutschland im Sicherheitsrat wärewäre dann nicht die Einigung auf eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU noch schwieriger, weil genau die Staaten, die sich für die europäischen Kernmächte halten, ihren Einfluss bereits gesichert hätten?

Im Gegenteil: Der Zwang zur Abstimmung würde größer. Denn jedes EU-Mitglied ist ja gehalten, im Sicherheitsrat die EU-Position zu vertreten.

Würde nicht einfach nur die britische Position ein bisschen geschwächt und die französische ein bisschen gestärkt?

Jenseits der Tagespolitik gibt es mehr Gemeinsames als Trennendes. Und wenn es im Rahmen der UNO ein neues Forum gibt, in dem die drei Europäer gemeinsam sitzen, stärkt das die Chance, weiter kooperativ vorzugehen. Aber das Ziel sollte weiterhin ein EU-Sitz sein.

Dann müssten also womöglich in ein paar Jahren die drei Sitze von Deutschland, Großbritannien und Frankreich gegen einen für die EU eingetauscht werden. Wer soll das wollen?

Von „ein paar Jahren“ kann nicht die Rede sein. So weit sind wir in Europa noch lange nicht. Daher ist der Anspruch des Kanzlers für Deutschland als einer der größten Beitragszahler und Leistungsträger des UN-Systems schon korrekt.

Müsste denn ein ständiger Sitz mit militärischer Stärkung einhergehen?

Was heißt „militärische Stärkung“? Das kann Rüstung sein, das kann aber auch heißen, dass man versucht, das vorhandene Geld vernünftig auszugeben. Man stellt etwa der UN bestimmte Instrumente zur Verfügung, damit sie Operationen durchführen kann. Das wird jetzt im Rahmen des „Battle Group“-Konzeptes der EU gemacht, welches vor allem auf Anforderung der UN zum Einsatz kommen soll.

Und Sie meinen, das reicht? Die Bundeswehr etwa klagt doch immer, dass sie nicht mehr machen kann.

Es geht um kurzfristige Einsätze, bis andere übernehmen können. Hätte es die Groups zum Beispiel im Fall Ruanda schon gegeben – statt der kleinen, schlecht ausgestatteten UN-Mission – hätte womöglich der Völkermord verhindert werden können. Das ist ein mögliches Instrument, das eben nicht umfassender Rüstung und zehntausender Soldaten bedarf. Wenn dieses der UN zur Verfügung steht, hat sie ein Instrument mehr, und der Multilateralismus wird gestärkt.

Aber das alles könnte man auch ohne ständigen Sitz im Sicherheitsrat machen.

Klar. Aber wenn man ständiges Mitglied ist, hat man mehr Einfluss. INTERVIEW: BERND PICKERT