Ende der Selbstbeschränkung

Während Wolfgang Schäuble eine Renationalisierung der deutschen Außenpolitik sieht, verteidigen die Grünen Fischers Forderung nach einem deutschen Sitz im Sicherheitsrat

BERLIN taz ■ Wenn es darauf ankommt, kann sich Joschka Fischer auf seine Parteifreunde verlassen. Lange hatten sie öffentlich wenig zu den Bemühungen des Außenministers um einen Sitz im UN-Sicherheitsrat gesagt. So ganz geheuer schien die Sache den Ökopaxen nicht zu sein, die sich vor zehn Jahren noch per Parteitagsbeschluss für eine „Selbstbeschränkung der deutschen Außenpolitik“ ausgesprochen hatten. Doch jetzt, da sich der Außenminister heftiger, innenpolitischer Angriffe aus der Opposition erwehren muss, erhält er sofort Rückendeckung – auch von jenen Grünen, die sonst nicht unbedingt zu den braven Fischer-Chören gehören.

Gegenüber der taz unterstützten Parteichefin Angelika Beer, Fraktionsvize Christian Ströbele und der außenpolitische Sprecher der Grünen, Ludger Volmer, grundsätzlich Fischers Aktivitäten. „Ich bin da nicht dagegen“, sagte Ströbele, „wenn auch Länder wie Indien und Südafrika einen Sitz bekommen.“ Einhellig wiesen die Grünen den Vorwurf von Unions-Fraktionsvize Wolfgang Schäuble zurück, Fischer betreibe eine „Renationalisierung der deutschen Außenpolitik“. Das sei „absoluter Quatsch“, so Beer. Von einem deutschen Alleingang könne keine Rede sein, schließlich seien „Indien, Brasilien und Japan mit im Boot“.

Ihre Partei habe zwar immer für einen europäischen Sitz im Sicherheitsrat plädiert, erklärte die Grünen-Chefin, aber „angesichts der Tatsache, dass ein EU-Sitz derzeit mehr als unwahrscheinlich ist, halten wir es für richtig, dass Deutschland mehr Verantwortung übernimmt“.

Volmer äußerte die Vermutung, der gewiefte Oppositionspolitiker Schäuble vertrete seine Forderung nach einem gemeinsamen Sitz für die EU nur aus taktischen Gründen. Eigentlich, so Volmer, wisse Schäuble, dass es dafür keine Perspektive gebe. „Großbritannien und Frankreich werden auf ihren Sitz nie verzichten“, sagte der grüne Außenexperte. Im Gegensatz zu Schäuble habe deshalb auch der einstige Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) Fischers Vorstoß für eine UN-Reform unterstützt, freute sich Volmer über „die gespaltene Haltung in der Union“. Bei den Grünen dagegen sei die Frage „zumindest bei den Außen- und Sicherheitspolitikern überhaupt nicht strittig“.

Nicht ganz schlüssig waren sich die Grünen lediglich, wie sie auf die Behauptung Schäubles reagieren sollten, ein deutscher Sitz im Sicherheitsrat werde auch zu „deutlich mehr deutschen Militäreinsätzen im Ausland“ führen. „Das sehe ich überhaupt nicht“, sagte Ströbele. „Frankreich hat ja beim Irakkrieg auch nicht mitgemacht.“ Parteichefin Beer dagegen räumte ein, man müsse sich klar sein, „dass bei einer Vollmitgliedschaft die anderen Mitglieder dann höhere Erwartungen an Deutschland auch im militärischen Bereich stellen würden“. LUKAS WALLRAFF