Für Kölns Mitte sind alle Ränder gleich

In ihrem gemeinsamen Wahlaufruf für Sonntag werfen CDU, SPD, FDP und Grüne Rechtsextremisten und „linke Demagogen“ in einen Topf. Kein Wort hingegen fällt über die „Bürgerbewegung Pro Köln“, kritisieren PDS, Wahlbündnis und Antifa

von Susanne Gannott

Nach den Wahlerfolgen der rechtsradikalen Parteien bei den Wahlen in Sachsen und Brandenburg rufen CDU, Grüne, SPD und FDP in Köln jetzt gemeinsam auf, am Sonntag wählen zu gehen. In einer „gemeinsamen Erklärung“ zeigen sich die vier Parteien alarmiert, dass in den beiden Bundesländern „viele junge Wählerinnen und Wähler den extremistischen Parteien ihre Stimmen gegeben haben“.

Allerdings meinen die bürgerlichen Mahner damit nicht nur Rechtsradikale. So heißt es im Aufruf weiter: „Rechtsextremistische Parteien und Splittergruppen sowie linksradikale Demagogen fischen mit platten Parolen unzufriedene Wählerinnen und Wähler ab, tragen aber in keinem Fall mit konstruktiven Inhalten oder Lösungsvorschlägen zur politischen Diskussion und zur Fortentwicklung unseres Staates bei.“ Die „demokratischen Parteien in Köln“ seien sich einig, „dass rechtsextremistischen Parteien und linksradikalen Demagogen ein klares politisches Stopp-Signal entgegen gesetzt werden muss“.

Wenig überraschend, dass das linke Wahlbündnis „gemeinsam gegen sozialraub“ über die Gleichsetzung von Rechtsradikalen mit Linken empört ist und eine „öffentliche Entschuldigung“ verlangt. Wer Menschen, die sich gegen Sozialabbau wehren, mit rechtsradikalen Gruppen in einen Topf wirft, die als „geistige Brandstifter“ für rassistische Übergriffe und Morde verantwortlich sind, „verhöhnt die Opfer des Rassismus und verharmlost die rechte Gewalt“, erklärt Claus Ludwig, Spitzenkandidat von „gemeinsam“. Ludwig wirft umgekehrt den Parteien CDU, SPD, Grüne und FDP vor, „mit ihrer unsozialen Politik auf allen Ebenen den Boden für die Faschisten zu bereiten“.

Auch PDS-Ratsherr Jörg Detjen findet den Aufruf „gelinde gesagt etwas deplaziert“. Vor allem deshalb, weil die spezifische Kölner Situation keinerlei Erwähnung finde. Etwa dass hier am Sonntag mit „Republikaner“, „Pro Köln“ und NPD gleich drei rechtsradikale Parteien antreten. Oder dass die Reps bereits seit fünf Jahren im Rathaus sitzen. „Und Pro Köln wird in dem Aufruf nicht einmal erwähnt“, moniert Detjen. Geschweige denn, dass sich die Aufrufer mit der Strategie der „Bürgerbewegung“ auseinandersetzten, die mit Themen wie Moscheebau oder „Klau-Kids“ möglichst „bürgernah“ auftritt und sich als „Biedermann“ gibt.

Dass dazu in dem Aufruf nichts gesagt wird, findet Claus Ludwig von „gemeinsam gegen sozialraub“ allerdings nicht sehr verwunderlich. Schließlich sei die Politik der Kölner FDP vielfach kaum von der von „Pro Köln“ zu unterscheiden. Ludwig erinnert daran, dass FDP-Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite beispielsweise in einem Flugblatt an Nippeser Bürger vor der Einrichtung eines Flüchtlingsheims warnt, weil im Umfeld solcher Einrichtungen die Kriminalität steige. Mit solchen Parolen, so Ludwig, „werden Gruppen wie ‚Pro Köln‘ salonfähig gemacht.“

Auch Ulrike Bach, Kölner Mitglied bei der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten und aktiv bei „Köln stellt sich quer“, kritisiert die mangelnde inhaltliche Auseinandersetzung des Aufrufs mit den „rassistischen und völkisch nationalistischen Positionen“ der Rechtsextremisten. „Die Wähler von Rechtsextremisten wissen sehr wohl, was sie tun, es sind nicht nur ‚Protestwähler‘ und ihre Parlamentarier keine ‚Witzfiguren‘“, so Bach. Die Erklärung der Kölner Parteien, die vor Unkenntnis der Kölner Lage nur so strotze, biete jedoch keinerlei Argumente gegen Rechte.

Weil die jetzt womöglich tatsächlich in den Stadtrat einziehen, ruft das Antifa-Bündnis „Köln stellt sich quer“ für den Wahltag um 18 Uhr zu einer Kundgebung am Rathaus auf. Motto: „Den Nazis auf die Füße treten, bevor sie im Rathaus sitzen! Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!“