Jukebox

Zum Glück gibt es wieder mehr Lärm in der Welt

Die beste Band der Welt? Könnte man sagen: Last Exit. Manchmal. Gar nicht auf Platte. Nur live. Obwohl: Es war Ende der 80er, da spielten sie in einem süddeutschen Studentenstädtchen. Versuchten zu spielen. Fingen an, brachen ab. Gingen von der Bühne. Kamen zurück. Neuer Versuch (so viele zerfahrene Anfänge und Zwischenwürfe). Spielten sie, war es höllisch laut. Manchmal nur höllisch lauter Soundcheck. Insgesamt gab das vielleicht zwanzig Minuten wirkliche Musik: Mit einem Peter Brötzmann, der alles niederblies, was sich ihm in den Weg stellte, Sonny Sharrock zerriss seine Gitarrensaiten, und Shannon Jackson und Bill Laswell wuchteten in dieser unglaublichen Klangmasse. Große-Alte-Männer-Musik. Wenn alles passte, eine magische Erfahrung, wie ein Rendezvous mit Gott.

Dass ich mir die Last-Exit-Scheiben jüngst wieder (mit Genuss) angehört habe, hat auch mit der These vom abgesunkenen Kulturgut zu tun. Genauer: Mit den ganzen The-Bands, diesem Bubenrock, der den Roll, das wüste Leben und die sonstigen Illustriertenweisheiten zurück in die Musik gebracht haben soll. Was in einem Nebeneffekt dafür sorgte, dass man selbst a) Heavy Metal erneut beachtete, und den b) sogar als eine vernünftige Sache betrachten wollte, während man plötzlich den Maschinen misstraute und gar nicht mehr verstand, wieso man die elektronische Musik jemals mit einer Heilserwartung aufgeladen hat.

Bei der elektronischen Frickelarbeit haben sich zuletzt auch wenigstens zu Teilen die Musiker von Ich schwitze nie herumgetrieben, dieses wunderbare Trio, das Seemannsschlager in schiffbrüchiger Musik einzupacken versteht. Vergangenen Freitag spielte es beim Fakelore-Abschied im Hau 1 zuerst auch so was. Dann setzten sie Puderperücken auf und warfen sich in exzessive Lärmschlachten. Gitarre gegen Bass gegen Schlagzeug. Am Schluss noch ein geifernder Saxofonist. Konnte man anfänglich als Parodie hören, aber jede gute Parodie setzt auch das Parodierte ins Recht. Dass man so einen wunderbaren Lärm wieder hören durfte. Einfach großartig. Und da kommt bestimmt noch mehr. So viel sexier auch als jüngst die Libertines.

Der Bubenrock wird sich sowieso nach alter Pendelschlagregel bald wieder verfeinert als Sensibelchen geben (die Popkomm wird es zeigen). Trotzdem: Der Bubenrock war’s, der Männerrock erst wieder möglich macht. THOMAS MAUCH