MEHDORN HAT AN DER SPITZE DER BAHN NICHTS MEHR ZU SUCHEN
: Börsenbahn mit störenden Kunden

Die Bahn hat es schwer. Herbstlaub auf den Schienen stört die Pünktlichkeit. Ökosteuer sorgt für einen Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Flugzeug. Von Hans Eichel zugesagte Finanzmittel werden über Nacht gekürzt und verhindern den Neu- und Ausbau attraktiver Linien. Die Kunden maulen grundsätzlich über alles und jedes.

Diese Wahrheit ist es, die Bahnchef Hartmut Mehdorn unters Volk zu streuen trachtet. Doch es ist leider nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich sind die Probleme der Bahn ebenso Mehdorns Brachialkurs mit dem Ziel Börsenfähigkeit seines Unternehmens geschuldet wie seiner Unfähigkeit zu einer halbwegs gesitteten Kommunikation. Den Gang an die Kapitalmärkte bis zum Herbst 2006 musste Mehdorn am Mittwoch absagen – nicht aus innerer Einsicht, sondern um seinen Kopf zu retten. Doch genau diesem Börsengang, so der begründete Verdacht, hat der Bahnchef alle anderen Unternehmensentscheidungen untergeordnet. Wenn die Preise schon zum zweiten Mal in diesem Jahr erhöht werden, mag das auch mit gestiegenen Energiekosten zusammenhängen. Aber die rechtfertigen keine Erhöhung um mehr als drei Prozent. Wenn das Schienennetz vergammelt und dringend notwendige Reparaturen ausbleiben, mag das mit den Kürzungen des Bundes zu tun haben. Aber nicht nur. Wenn Mehdorn alte Loks lieber verschrottet, als sie der Konkurrenz zu verkaufen, wenn er die Trennung von Netz und Betrieb vehement ablehnt, dann wird Bundesvermögen verschleudert und Wettbewerb behindert. Tatsächlich geht es dem Oberbahner einzig um den Kampf gegen rote Zahlen, die seine Börsenbahn infrage stellten. Die Wünsche der Kundschaft scheinen bei diesem hehren Ziel eher störend zu sein.

Störend sind für den Oberbahner aber auch alle Kritiker, ob wohlmeinend oder nicht. Mehdorns gestern bekannt gewordene Schimpfkanonade gegen Mitglieder des Deutschen Bundestags lässt nur den Schluss zu, dass er zur Führung eines Staatsunternehmens nicht geeignet ist. Die Mitglieder des Verkehrsausschusses haben nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, die Bahn zu kontrollieren. Wer das nicht begreifen will, hat an der Spitze der Bahn nichts zu suchen. KLAUS HILLENBRAND