Rettung der Versicherer entzweit die SPD

Finanzminister Eichel stößt mit seinem Plan, Allianz und Co Steuern in Milliardenhöhe zu erlassen, auf harsche Kritik. „Soziale Schieflage“, schimpfen Parteikollegen. Morgige Zustimmung im Bundestag dennoch wahrscheinlich

BERLIN taz ■ Mit erheblichem Aufwand hat die Bundesregierung gestern versucht, den Konflikt um die Steuererleichterung für Versicherungsunternehmen zu bereinigen. Bei einer Sondersitzung der SPD-Frakion am frühen Abend bearbeiteten Fraktionsvize Joachim Poß und Vertreter des Finanzministeriums etwa zehn Abgeordnete, die die „soziale Schieflage“ kritisierten. Fraktionskreise gaben sich aber optimistisch, dass der Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) wie geplant morgen im Bundestag verabschiedet werden könne.

Eichel will den Lebens- und Krankenversicherern einige Milliarden Euro Steuern erlassen. Die Gesetzesänderung würde zu Steuerausfällen in diesem Jahr führen, Experten beziffern die fragliche Summe auf 5 bis 10 Milliarden Euro.

„Die tatsächlichen Beträge liegen weit darunter“, sagt dagegen Ralf Chalupnik vom Gesamtverband der Versicherungswirtschaft. Eichel argumentiert, die Änderung sei mittelfristig „aufkommensneutral“: Verluste in diesem Jahr würden in den folgenden Jahren durch höhere Einnahmen ausgeglichen.

Das Problem von Versicherungsfirmen wie der Allianz oder der Münchner Rück ist Folgendes: Durch Eichels Reform der Unternehmensteuern aus dem Jahr 2000 unterliegen Aktiengeschäfte, Aktiendividenden und Abschreibungen auf Aktienwerte bei Kapitalgesellschaften nicht mehr der Steuer.

Während die Münchner Rück in guten Zeiten Gewinne aus Aktiengeschäften nicht mehr zu versteuern braucht, kann sie gegenwärtig ihre Verluste nicht von der Steuerschuld abziehen. Die Verluste aus dem Börsencrash stehen in den Handelsbilanzen der Unternehmen, aber der Staat ignoriert diese roten Zahlen bei der Berechnung der Steuer.

Der Versicherungsverband argumentiert deshalb, die gegenwärtige Regelung, die die Firmen 2000 selber haben wollten, schmälere das Eigenkapital in gefährlicher Weise. Nachdem die Mannheimer Lebensversicherung bereits pleite ist, befürchtet das Finanzministerium weitere Zusammenbrüche mit schwerwiegenden Folgen für die gesamte Volkswirtschaft.

Müssten die Versicherer trotz ihrer Börsenverluste hohe Steuern zahlen, „geht das auch zu Lasten der Versicherten“, erklärt SPD-Politiker Poß. Die Leistungen aus den Lebensversicherungen würden geschmälert.

Weil die Unternehmensteuerreform für die Versicherer außer Kraft gesetzt wird, rechnet das Bundesfinanzministerium in den kommenden Jahren mit höheren Einnahmen. Diese resultieren daraus, dass die Versicherer mit der neuen, alten Regelung mehr Steuern zahlen müssen, weil die dank steigender Börsenkurse erwirtschafteten Gewinne vom Finanzamt abgeschöpft werden. HANNES KOCH