Bundeswehr im Bundestag – keiner hört zu

CSU will mehr Soldaten in Afghanistan, die FDP ein Ende der Wehrpflicht. Das interessiert nur Offiziere

BERLIN taz ■ Gestern im Bundestag: Vor den nahezu leeren Sitzreihen plädiert der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Reinhold Robbe (SPD), für „mehr Anteilnahme für die Sicherheitspolitik“. Die Probleme einer 263.000 Frau und Mann starken Bundeswehr – 7.000 davon sind derzeit in Krisenregionen –, dürften „nicht nur denen überlassen bleiben, die im Verteidigungs- und Auswärtigen Ausschuss sitzen“.

Erst eine Stunde nach Robbes Plädoyer strömen viele hundert Abgeordnete in den Saal. Sie plauderten die restlichen Minuten bis zur Abstimmung über den FDP-Antrag, die Wehrpflicht abzuschaffen. Nur die uniformierten Gäste von der Bundeswehr verfolgen auf der Besuchertribüne aufmerksam die Debatte über den Umbau der Bundeswehr zur Interventionsarmee.

Immerhin aber dürfen sie erleben, dass jeder Redner seinen „Dank“ und „Respekt“ den Soldaten gegenüber äußerte, die derzeit im Kosovo und in Afghanistan Dienst tun – obwohl die Bundeswehr dort grobe Fehler gemacht haben soll. Die Ausschreitungen im März im deutschen Stationierungsgebiet im Kosovo haben mittlerweile zu dicken Untersuchungsakten geführt. Zu diesem Versagen der Schutztruppen gesellen sich nun Berichte von Angriffen auf Aufbauhelfer im nordafghanischen Faisabad. Auch hier hätten deutsche Soldaten hilflos reagiert.

Nicht zuletzt wird in Afghanistan am 9. Oktober gewählt, was die Spannung dort erhöht. Nächste Woche muss der Bundestag das Afghanistan-Mandat verlängern. Und so nutzte die Opposition gestern die Gelegenheit, um mit der rot-grünen Verteidigungspolitik abzurechnen: Es werde gespart, wo mehr Einsatz gefordert sei, und es gebe keine realistische Einschätzung der Gefahren vor Ort im Kosovo oder in Afghanistan. Christian Schmidt (CSU) verlangte, mehr Soldaten nach Faisabad zu schicken. Zurzeit sind es gerade mal 100. Günther Nölting (FDP) wie auch Gesine Lötzsch (PDS) bemerkten, dass ein „Weißbuch“, ein umfassendes verteidigungspolitisches Konzept, seit 1994 nicht mehr erschienen sei. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) wies alle Vorwürfe zurück – ohne allerdings anzudeuten, wie das Missverhältnis zwischen großer Verantwortung und wenig Geld aufzulösen sei.

Nur am Schluss der Sitzung herrschte wieder Eindeutigkeit: Der Antrag der FDP, die Wehrpflicht abzuschaffen, wurde mit 528 gegen 44 Stimmen abgelehnt. UWI