Sie haben keine Wahl

Wohnungslose zeigen wenig Interesse an der Kölner Kommunalwahl. Oft sind sie nicht als Wähler registriert

KÖLN taz ■ Kommunalwahlen in Köln? Im „Gulliver“, der Überlebensstation für Obdachlose, ist das nur selten ein Thema. „Der tägliche Kampf ums Überleben lässt wenig Zeit, sich damit zu beschäftigen“, erklärt Geschäftsführer Bernd Hicker. Wenn doch, ist der vorherrschende Tenor unter den Besuchern: „Die sind ja doch alle gleich und machen, was sie wollen.“ Und wer wählen geht, tendiert eher zu kleinen Parteien. Aber häufig sind Obdachlose gar nicht im Wählerverzeichnis registriert, weil sie keinen festen Wohnsitz haben. Sie könnten sich zwar im Wahlamt eintragen lassen, wenn sie durch eine Bescheinigung des Sozialamts nachweisen, dass sie sich seit mindestens drei Monaten in Köln aufhalten. Entsprechende Informationen zum Aushängen wurden allerdings von der Stadt nicht an Hilfseinrichtungen wie das Gulliver verschickt.

Auch für Kölns Politiker scheinen die bis zu 3.000 Obdachlosen und Menschen ohne festen Wohnsitz als spezielle Zielgruppe offenbar nicht wichtig zu sein. Lediglich Carola Blum von der CDU ließ sich im Gulliver blicken und verteilte einen Fragebogen, auf dem der Leser ankreuzen kann, „welche politischen Ziele“ für ihn „besonders wichtig“ sind. Auch „Unterstützung von sozialen Einrichtungen, z.B. Gulliver“ ist als Möglichkeit angegeben. Dass das ihr Ziel ist, verrät die CDU-Ratskandidatin für den Wahlkreis Altstadt-Nord auf einem Flugblatt.

Ob sie sich damit in ihrer Partei durchsetzen kann, bleibt abzuwarten. Im Sommer jedenfalls befürworteten die Christdemokraten noch eine von der Verwaltung vorgelegte Verschärfung der Straßenordnung, die erst nach Intervention der Grünen zurückgewiesen wurde. „Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass der Entwurf nach der Wahl wieder auf die Tagesordnung kommt“, befürchtet Ossi Helling, sozialpolitischer Sprecher der Kölner Grünen. Für Rosemarie Herting von der Hilfseinrichtung „Oase“ ist der Entwurf ein neuer Beweis für „Schikanen, mit denen die Realität der Armut aus dem Stadtbild vertrieben werden soll.“ Jürgen Schön