Einkaufsvergnügen rund um die Uhr

Metropolfunktion stärken oder Maulaffen feilhalten? Hamburgs Wirtschaftssenator freut sich über Bundesratsinitiative zur weiteren Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten, während bei Beschäftigten und Gewerkschaften die Kritik überwiegt

Von Markus Jox

Gunnar Uldalls „Lächeln für Hamburg“ fiel gestern noch breiter aus als üblich: Mit „großer Mehrheit“ und mit den Stimmen der Hansestadt unterstützte gestern der Bundesrat in Berlin einen Gesetzentwurf aus Baden-Württemberg, nach dem die Kompetenzen für die Regelung der Ladenöffnungszeiten auf die Bundesländer übertragen werden sollen. Mit diesem „eindeutigen Votum“ seien „die Weichen gestellt für eine überfällige Liberalisierung bei den Öffnungszeiten“, jubelte Hamburgs CDU-Wirtschaftssenator.

Er hoffe, dass die derzeit tagende Bund-Länder-Kommission zur Reform des Föderalismus in Deutschland schnell zu demselben Ergebnis komme. „Sobald es eine Länderzuständigkeit beim Ladenschluss gibt, wird Hamburg die völlige Freigabe der Öffnungszeiten an Werktagen umsetzen“, kündigte Uldall frohen Mutes an. Längere Ladenöffnungszeiten würden die „Metropolfunktion Hamburgs stärken und die Hansestadt für Einheimische wie Touristen noch attraktiver machen“. Bereits im Frühjahr 2003 war Uldall mit einer Bundesratsinitiative vorgeprescht: Sein „Modell 6 mal 24“ sah vor, dass Einzelhandelsfirmen selbst entscheiden dürfen, zu welchen Zeiten sie von montags bis sonnabends öffnen.

Einen „weiteren Meilenstein in Richtung Liberalisierung“ sieht Ulf Kalkmann, Geschäftsführer der Hamburger Einzelhandelsverbände, in der Bundesratsentscheidung. Auch der ebenfalls zuständige Bundestag werde das Thema, da ist sich Kalkmann sicher, „nicht auf die lange Bank schieben“. „Und dann werden einige Länder, darunter Hamburg, sehr schnell in die Hufe kommen“, prophezeit Kalkmann, der längere Öffnungszeiten bereits in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres für möglich hält.

Gewinner einer solchen Reform wären Geschäfte in der Innenstadt und auf der grünen Wiese, Verlierer dagegen eher dezentrale Läden in Stadtteilzentren. „Die schon vorhandene Konzentration wird sich weiter forcieren“, befürchtet der Verbandschef. Gewiss würde die Liberalisierung zu „mehr Kundenorientierung bei der Kernzielgruppe der 16- bis 36-Jährigen“ führen. Gemeint sind damit vor allem jüngere Menschen ohne Kinder, die sich dann „bei einem schönen Latte Macchiato auf die Suche nach Möbeln oder anderen langlebigen Wirtschaftsgütern machen können“.

Auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di reagiert auf Uldalls forsche Liberalisierungstöne mit Sorge: „Ver.di lehnt eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten strikt ab“, sagt Sabine Bauer, Sprecherin des Landesverbands Hamburg. Sollte sich die Bundesratsmehrheit durchsetzen, käme es „zu einer weiteren Konzentrierung auf 1A-Lagen“, so Bauer. „Kleinere Geschäfte können diese Zeiten doch gar nicht abdecken.“ Auch werde es kein Umsatzplus geben, „allenfalls kurzfristig im Weihnachtsgeschäft“. Mehr Ganztags- oder Halbtagsstellen würden längere Ladenöffnungszeiten auch nicht schaffen – allenfalls einige Minijobs, sagt die ver.di-Sprecherin voraus.

Martina Radke, Fleischverkäuferin und Betriebsrätin in einem toom-Markt im Elbe-Einkaufszentrum, ahnt, was das Vorhaben der Länder in der Praxis bedeuten könnte – ist dort doch die Verlängerung der Öffnungszeiten an Sonnabenden von 16 auf 20 Uhr erst im vergangenen Jahr umgesetzt worden. „Das hat uns nicht mehr Umsatz gebracht, sondern nur die Kundenaktivität verlagert“, sagt sie. Mehr Personal sei nicht eingestellt worden, stattdessen sei das vorhandene schlicht anders verteilt worden – was nicht unbedingt mehr Service bedeute: „Wo früher an der Fleischtheke vier Frauen bedienten, sind es jetzt manchmal nur noch zwei.“ An Sonnabenden ab 18 Uhr hingegen, einer eher kundenarmen Zeit, „stehen wir hier und halten Maulaffen feil“. Radke hält die Länderinitiative schlicht „für unnütz“: „Die Leute können den Euro doch sowieso nur einmal ausgeben.“