Warum Fett alleine nicht fett macht

Es geht nicht nur ums gesunde Essen, sondern auch um zu wenig Bewegung und zu viele Kalorien

Bremen taz ■ Den Dicken gehört die Zukunft. Zwei von fünf Erwachsenen sind heute übergewichtig, dazu jedes fünfte Kind, jeder dritte Jugendliche. 20 Prozent der Erwachsenen gelten sogar als adipös, zu deutsch: fettleibig –Tendenz steigend. Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht gar von einer Epidemie. Allein die Zahl der übergewichtigen Jugendlichen hat sich seit den siebziger Jahren vervierfacht.

„Fettleibigkeit ist das am schnellsten wachsende Gesundheitsrisko“, so Iris Pigeot-Kübler, Direktorin des Bremer Instituts für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS), „auch hierzulande“. Entsprechend groß war das Interesse an der Fachtagung „Zeitbombe Adipositas“, die das BIPS kürzlich zusammen mit dem Zentrum für Public Health der Universität Bremen veranstaltet hat.

Doch warum tickt die Zeitbombe? Oder, anders gefragt: „Macht Fett wirklich fett?“ Diese Frage versuchte der Potsdamer Ernährungsforscher Heiner Boeing zu beantworten. Ja, war seine Antwort – aber nicht alleine. „Wir essen nicht zu fett, wir essen zu süß.“ Grundsätzlich komme es weniger auf den Fett- oder den Zuckergehalt des Gegessenen an. Ausschlaggebend sei vor allem die Energiebilanz im Körper, also das Verhältnis von Energiezufuhr zum Energieverbrauch. Wer mehr wiege, der brauche dabei auch mehr Energie – um die Statur zu halten. Wer also fett und süß esse, sagt Boeing, könne durch Bewegung weitere Zunahme verhindern. Doch genau daran hapert es.

Die Dauer der täglichen Bewegung hat sich seit 1988 halbiert. Kinder mit Übergewicht sehen laut einer Studie der Uni Frankfurt täglich fast vier Stunden fern, normalgewichtige nur 1,6 Stunden. Auch Alte sind eine Problemgruppe, wenn ihr Energiebedarf sinkt, ihre üppigen Essgewohnheiten aber unverändert bleiben.

Anlass zur Sorge geben den Wissenschaftlern auch wachsende Packungsgrößen in den Regalen der Supermärkte. Wer statt der klassischen 100g-Tafel Schokolade nun die immer häufiger anzutreffende 300g-Variante kaufe, so der Ernährungspsychologe Thomas Ellrott, der esse meist so lange, bis alles leer sei. Kontrolle und Selbstdisziplin sei besonders gefragt. Deshalb achten Menschen, die mehr als 30 Kilo abgenommen haben und danach ihr Gewicht über drei Jahre haben halten können, besonders stark darauf, dass sie viel „Gesundes“ im Haus haben. Unvermeidlich hier: das regelmäßige Wiegen. Jan Zier