Lehrer lernen, Respekt zu gewinnen

Das Anti-Gewalt-Training der Bürgerstiftung kommt gut an: LehrerInnen fühlen sich sicherer – aber sie fragen: „Warum haben wir das im Studium nicht gelernt?“ Die Bürgerstiftung wünscht sich mehr Einsatz vom Bildungssenator

bremen taz ■ Jeder 15. Schüler fühlt sich unsicher im Klassenraum, jeder sechste auf den Schulfluren, jeder vierte während der Pause und jeder dritte auf der Schultoilette. Dieses sind erschreckende Daten einer Studie über den Alltag von SchülerInnen an Bremer Schulen, auf die die Lehrerfortbildung „Konfliktberatung an der Schule – Schulentwicklung und Gewaltprävention“ jetzt eine neue Antwort geben will.

Dafür haben die Jugendpsychotherapeutin Eva Busch und der Bremer Psychologe Frank Winter im Auftrag der Bremer Bürgerstiftung ein neues Schulungskonzept für LehrerInnen entwickelt. 20 TeilnehmerInnen – PädagogInnen aus sechs Schulzentren – hatten jetzt nach 78 Seminarstunden Halbzeit. Für viele hat sich seit Seminarbeginn Entscheidendes geändert.

„Früher hatte ich regelrecht Bauchschmerzen, wenn ich morgens in die Schule ging“, berichtet ein Pädagoge. Heute traue er sich zu, den Problemen nicht mehr auszuweichen – sondern sie anzupacken. Probleme – das können Anmache oder Abzocke unter Schülern sein, aber auch der verzweifelte jugendliche Selbstmordgefährdete. Wie in solchen Notsituationen zu handeln ist – das trainieren die PädagogInnen. „Wenn man dann kompetent und sicher eingreifen kann, ist das eine gute Erfahrung“, berichtet eine Lehrerin.

Die Fortbildung, die für die teilweise freigestellten Lehrer durch private Spenden an die Bürgerstiftung ermöglicht wird, arbeitet bewusst mit den Erwachsenen im Schulsystem, denn: „Die Erwachsenen sind verantwortlich für die Probleme – nicht die Kinder“, sagen die Dozenten. Die LehrerInnen seien schließlich ständig an der Schule, sie hätten somit die Strukturen in der Hand. Dazu gehöre, den Kindern Grenzen zu setzen, die Regeln an der Schule durchzusetzen – und im Konfliktfall einzugreifen.

Um die Lehrer dazu zu befähigen, gehört es auch zum Training, eigene Ängste offen zu legen – denn auch Lehrer fürchten, verletzt zu werden, wenn sie bei einer Schlägerei eingreifen. Oder sie haben Angst, dass Konflikte nur komplizierter werden, wenn man sie anspricht. Solche Unsicherheiten abzubauen und den LehrerInnen ihre Rolle als Respektspersonen zurückzugeben, ist Ziel des Trainings.

SeminarteilnehmerInnen müssten sich immer wieder bewusst machen, in welchem Rahmen sie agieren, sagt Dozentin Eva Busch. „Sie müssen sich die Fragen stellen: Was kann ich machen? Ist das mein Zuständigkeitsbereich? Und: An wen wende ich mich?“ Um richtig reagieren zu können, müssten die Antworten darauf oft sekundenschnell in Handlung umgesetzt werden. Das Seminar versuche zugleich, den Blick auf die ganze Klasse zu schärfen ohne dass der einzelne Schüler untergeht. „In jedem Schüler stecken Potenziale.“ Würden die genutzt, könnten alle profitieren, erklärt Frank Winter. Denn: „Erst eine Gemeinschaft bringt manche Fähigkeit zur Geltung.“

Die Schulung setzt auf eine intensive und langfristige Arbeit mit den Lehrern. Viele andere Aktionen zum Abbau der Gewalt verpufften durch Kurzlebigkeit, glauben die Pädagogen. Die TeilnehmerInnen haben sich für zwei Jahre verpflichtet, Erfahrungen auszutauschen und an sich zu arbeiten. Dabei loben sie besonders die vielen Praxisübungen. „Andere Fortbildungen sind oft zu theoretisch und trocken“, heißt es im Kollegium. Viele fragen: „Warum haben wir das im Studium nicht gehabt?“

„Eigentlich müsste die Bildungsbehörde die Maßnahme bezahlen“, sagt auch Peter Kudella, der Fortbildungsverantwortliche der Bürgerstiftung. „Langfristig kann die Bürgerstiftung das nicht leisten.“ Julia Bartelt