weinprobe
: Spur der Steine

Eine Freundin sagte neulich, dass deutsche Weine uncool seien. Sie ist Ende zwanzig, lebt in Prenzlauer Berg und trinkt, wenn sie denn Wein trinkt, südafrikanischen. Aus ihrer Perspektive gibt es nichts Befremdlicheres als etwa eine dunkelgrüne Bocksbeutel-Flasche aus Franken. Allein die gedrungene Form suggeriert Enge, das überladene Etikett Schunkelstimmung und Provinz. Und weil man die nicht mehr aushält, lebt man ja auch in Berlin. Aber dieses Stigma haben viele Frankenweine nicht verdient. Im Bocksbeutel sind in letzter Zeit immer mehr Weine gefangen, die weder eng noch provinziell sind. Sondern eine geschmackliche Transparenz und Großzügigkeit verkörpern, die berührt. Es gibt momentan kein Weingebiet in Deutschland, wo Winzer so radikal und entschlossen an charismatischen und ganzheitlichen Weinen arbeiten wie in Franken. So kann flüssige Schönheit entstehen. Und das ist nicht uncool, sondern mutig und atemberaubend.

Flüssiges Gestein

Johann Ruck junior ist wortkarg. Ein hagerer Typ um die dreißig. Seit er die Weine im elterlichen Weingut macht, sind sie noch ausdrucksvoller geworden. Er führt das Weingut nicht allein, seine Eltern haben neben ihm noch das Sagen. Aber die ganze Familie ist besessen von der Mineralität ihrer Weinbergsböden. Dort wurzelt Silvaner im Keuperboden. Es ist eine uralte Gesteinsformation aus dem Trias. Die Rucks zeigen, dass Silvaner alles andere als eine neutrale Rebsorte ist, sondern die Spur des Millionen Jahre alten Gesteins im Mund sinnlich erlebbar machen kann. Dieser Tropfen verbindet Leichtigkeit mit eleganter Frische, energetische Spannung mit innerer Klarheit. Seine Wesen ist kühl, köstlich und geheimnisvoll. Macht neugierig auf den nächsten Schluck.

2002 Silvaner Kabinett trocken, Weißwein, Franken, Weingut Johann Ruck, 10,– Euro bei „Wein & Glas“, 10717 Berlin, Prinzregentenstr. 2, Tel. (0 30) 2 35 15 20, Mo. bis Fr. 10 bis 18.30 Uhr, Sa. 9.30 bis 16 Uhr.

Roter Fürst

Ein Wein, der auf rotem Sandstein gewachsen ist. Hier, im Tal des Mains, kann der Spätburgunder, alias Pinot Noir, einzigartige Rotweine hervorbringen. Denn die zickigste aller roten Sorten findet dort jene Ausgewogenheit aus Kühle und Wärme, die sie braucht, um ihr komplexes Aromenspektrum entwickeln zu können. Paul Fürst ist ein Mensch mit Gespür und Passion für diese Sorte. Das Ergebnis ist sind Pinot-Noir-Weine, die mit zum Feinsten zählen, was momentan von der Sorte erzeugt wird, weltweit. Dieser ist ein schöner Einstieg. Spannt am Gaumen ein feines, straffes Netz aus pikanter Frische und lebendiger, ja fast wilder Fruchtigkeit. Aber ohne laute Töne. Ein Wein voller Anmut, Tiefe und Eleganz.

2002 Spätburgunder trocken Bürgstadter Centgrafenberg, Rotwein, Franken, Weingut Rudolf Fürst, 13,70 € bei „Wein & Glas“ (s. o.). TILL EHRLICH

Der Autor ist degustationserfahrener Weinkritiker und -publizist, 2003 wurde er als bester deutscher Weinjournalist mit dem Prix de Champagne Lanson ausgezeichnet.