Bio ist normal – super!

Bio-Supermärkte wie die LPG am Mehringdamm setzen erfolgreich auf niedrige Preise und einen großen Warenumschlag. Dass alles so normal daherkommt, finden die Kunden super

VON CHRISTINE BERGER

Der Eingang wirkt wenig einladend. „Videogesichert“ verkündet ein Schild, dass potenzielle Räuber von Europas größtem Bio-Supermarkt abhalten soll. Raubüberfälle auf Bioläden? „Hat es alles schon gegeben“, so Werner Schauerte, Gründer und Geschäftsführer des Supermarktes mit dem sinnigen Namen LPG, was in der DDR als Abkürzung für Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft galt. „Die spionieren alles aus und kommen dann wieder.“ Aber geklaut werde sowieso, „wie in einem ganz normalen Supermarkt auch“.

Normalität wird in der LPG groß geschrieben. Normale Öffnungszeiten, normale Kassiererinnen – die meisten von Penny oder Aldi abgeworben –, normaler Parkplatz (70 Plätze) und ein normales Publikum aus Familien, Singles, Alt und Jung halten den Supermarkt mit Bio-Produkten in Schwung. Weine werden palettenweise in Einkaufswägen zum Auto gekarrt, den Bio-Apfelsaft gibt es zu 99 Cent die Flasche. „Wie bei Lidl“, verkündet Schauerte stolz, „bloß dass bei uns die Herkunft klar ist“. Bei Lidl etwa vermutet er, komme der Bio-Apfelsaft aus China. „Wussten Sie, das China der größte Apfelexporteur und -safthersteller ist?“ Nein, keine Ahnung – einmal um die halbe Welt geflogen – um Gottes Willen!

Schauerte ist zufrieden. Botschaften wie die mit dem Apfelsaft aus China verschaffen neue Kundschaft, die bewusst regional einkaufen will und das möglichst günstig. Wer Mitglied wird in der LPG (Kosten 51 Euro Darlehen, dann zwischen 10 und 20 Euro Monatsbeitrag) bekommt viele Produkte nochmals um bis zu 20 Prozent billiger. „Das verschafft uns Rabatte beim Großhandel, weil wir immer gleich bezahlen“, erklärt der studierte Politologe das Konzept. Auch Bankkredite mussten deshalb trotz aller Investitionen in Computertechnik, Räume und Logistik noch nie in Anspruch genommen werden.

Die Idee mit den Mitgliedern wird angenommen. Über 5.000 Kunden haben sich seit Eröffnung im Herbst vergangenen Jahres einen Mitgliedsausweis mit Lichtbild ausstellen lassen. An der Kasse wird die Karte durch den Scanner gezogen und automatisch zeigt die Kasse die Rabatt-Preise statt der normalen an. Damit sich Kunden schon vorher über die Ersparnis freuen können, hat jedes Preisetikett zwei Angaben – den normalen und den Mitgliederpreis.

Rabatte und Kundenkarten gibt es längst auch bei anderen Bioläden und -Supermärkten. Wie bei Kaufhof oder Karstadt fragen die Kassiererinnen beim Bezahlen nach dem Kundennamen oder der Rabattkarte, und dann gibt es den Bonus. Doch nicht jeder ist an der Registrierung interessiert und längst kauft auch eine Klientel im Biomarkt ein, dem der Euro locker sitzt. „Da kommen Leute mit ihrem Mercedes SL vorgefahren, kaufen für 150 Euro ein und gehen wieder“, so Schauerte und guckt, als könne er das selber kaum fassen. „Am liebsten würde ich denen sagen: ‚Hey, kauft euch wenigstens für einen Tag eine Mitgliedskarte, damit kann man eine Menge sparen!‘“ Aber er tut es dann doch nicht.

Über 5.000 Produkte bietet die LPG am Mehringdamm auf rund 1.000 Quadratmetern eines alten Pferdestalls der preußischen Armee sowie einer Tankstelle aus den 50er-Jahren. Schauerte ist das noch nicht genug. „Im Gegensatz zu den normalen Supermärkten, die die Erzeuger mit Preis-Dumping unter Druck setzen, nehmen wir dankbar an, was der Markt hergibt“, seufzt er. Besonders die Brandenburger Bio-Fleischproduzenten machen ihm Sorgen. „Das fehlt es am Service.“ Auf die Anfrage etwa, ob ein Hähnchen-Lieferant auch einzelne Geflügelteile liefern könne, wird entweder nicht reagiert oder argumentiert, sie hätten gerade keinen Fahrer zum Ausliefern. Also kauft Schauerte gezwungenermaßen Fleisch aus Westfalen oder Bayern ein. „Da haben es die Bio-Supermärkte in Süddeutschland einfacher“, so Schauerte.

Am besten jedoch sind die Märkte in den USA bestückt. Von dort holte sich der LPG-Manager Anfang der 80er-Jahre die Inspiration für das Modell Bio-Supermarkt. In San Francisco gab es zu dieser Zeit schon einen mehrstöckigen Bio-Tempel mit allem, was der organisch-ökologische Anbau hergab. Und das war ein Menge. Mit der LPG ist Schauerte seinem Vorbild schon ein Stück weit näher gerückt. „Ziel ist, Teil des ganz normalen Lebensmittelhandels zu werden.“ Mit Werbung im Radio und qualitätsbewussten Menschen, die spontan von der Straße auf den Parkplatz einbiegen, um eine Palette Öko-Wein, Milch und spezielle Bio-Kroketten für die Katze zu kaufen.

LPG Bio-Markt, Mehringdamm 20–30, 10961 Berlin, Tel. 694 77 25. Öffnungszeiten: Mo.–Sa. 9–20 Uhr. Weitere Informationen: www.lpg- biokost.de