Roden statt reden

Weltkulturerbe ohne Bäume? In der Carl-Legien-Siedlung in Prenzlauer Berg streiten sich Mieter und Eigentümer

In der Carl-Legien-Siedlung am Prenzlauer Berg hat sich ein erbitterter Kampf entsponnen zwischen den Mietern der Siedlung und der Wohnungsbaugesellschaft BauBeCon – es geht um die Zukunft des grünen Wohnumfeldes. Bei der BauBeCon ist man der Ansicht, dass es dort zu viel Grün gibt: 170 Bäume sollen gefällt, Sträucher und Hecken gerodet werden. Die Mitglieder der Mieterinitiative „Grüne Vielfalt“ protestieren. Hinter ihnen stehen mindestens 300 der insgesamt 1.000 Haushalte.

Angefangen hat alles mit dem Vorhaben, die von Bruno Taut in den 20er-Jahren entworfene Siedlung von der Unesco zum Weltkulturerbe erklären zu lassen. Die Berliner Denkmalschutzbehörde hat dafür gefordert, die Außenanlagen wieder in ihren ursprünglichen Zustand von 1920 zurückzuführen: weitläufige Rasenflächen statt Vorgärten und Bäumen. Bei der deutschen Vertretung der Unesco meint man jedoch, dass die Authentizität des Bauensembles nicht vom Baumbestand abhänge.

Eigentlich, so könnte man meinen, gäbe es jetzt keinen Grund mehr für weiteren Zwist. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Auseinandersetzungen spitzen sich zu. Die BauBeCon hält nämlich an ihren Plänen fest und setzt diese mittlerweile auch in die Tat um. „Es werden kranke Bäume gefällt, Bäume, die stark verschatten und die schon über die Dachkante hinausgewachsen sind“, sagt Hartmut Bensch, zuständiger Abteilungsleiter der BauBeCon. „Weitere Absprachen mit der Mieterinitiative wird es nicht geben.“ Man fühle sich bedroht durch die Aktionen der Mieter, die Baumstämme vor der Geschäftsstelle niedergelegt hätten.

Doch bei der Mieterinitiative will das keiner gewesen sein. Man plane jedoch für Montag eine Demonstration rund um die Siedlung und zur Geschäftsstelle der BauBeCon. „Die wollten nie wirklich mit uns reden“, meint Wilhelm Volks, einer der Aktivisten. „Die benutzten uns nur als demokratisches Feigenblatt. Man lässt uns bewusst im Unklaren darüber, was geplant ist.“

Allmählich lässt sich jedoch erahnen, wie es aussehen könnte: Seit 15. September wird in zwei Innenhöfen gerodet und gefällt. „Exzessiv“, wie Volks meint.

MIRJAM DOLDERER