Beim Stabilitätspakt getrickst

Griechenland meldete über Jahre falsche Defizitzahlen nach Brüssel. Ehemalige Regierung: Missverständnis. Währungskommissar aber vorerst gegen Strafen

BRÜSSEL taz ■ Der ehemalige griechische Finanzminister Yannos Papantoniou hat bestritten, geschönte Defizitzahlen nach Brüssel gemeldet zu haben. Es habe eine Vereinbarung mit dem EU-Statistikamt Eurostat gegeben, Militärausgaben nicht im Jahr der Bezahlung, sondern bei Lieferung der Rüstungsgüter zu verbuchen. Eurostat hat Papantonious Darstellung zwar teilweise bestätigt. Der neue Eurostat-Chef Michel Vanden Abeele sagte am Donnerstag in Brüssel, dass es Missverständnisse bei der Buchung von Rüstungsausgaben gegeben habe. Allerdings hätten die griechischen Statistiker außerdem einen zu hohen Überschuss der Sozialversicherung veranschlagt. Die griechische Regierung habe über Jahre falsche Zahlen nach Brüssel gemeldet. Die Kommission denke nun darüber nach, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Athen einzuleiten.

Bereits in der Vergangenheit hatten die Experten von Eurostat Zweifel an den griechischen Haushaltszahlen angemeldet. Eine entsprechende Fußnote hatten Kommission und Finanzministerrat bisher geflissentlich übersehen. Erst nach dem Regierungswechsel in Athen sickerte die Wahrheit durch. Im Frühjahr hatte die neue Regierung auf der Grundlage von Zahlen ihrer Vorgänger das Defizit für 2003 noch mit 1,7 Prozent angegeben. Nach neuen Berechnungen sollen es jetzt mit 4,6 Prozent doppelt so hoch gewesen sein. Auch in den Vorjahren hat Griechenland mehr Schulden gemacht, als nach dem Stabilitätspakt erlaubt ist: 4,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2000 und jeweils 3,7 Prozent in den Jahren 2001 und 2002. Bereits zum Zeitpunkt des griechischen Beitritts zur Eurozone im Jahr 2001 waren die Schulden des Landes also aus dem Ruder gelaufen.

Eurostat sei zwar verpflichtet, die Zahlen zu überprüfen, die von den Mitgliedsstaaten gemeldet würden, räumte der oberste Statistiker der EU ein. Allerdings seien die Möglichkeiten seiner Behörde beschränkt.

Das gilt auch für die Überprüfung der anderen Mitgliedsstaaten. Eurostat kann für die Höhe der Defizite ebenso wie für alle anderen Zahlen derzeit nicht garantieren. Vanden Abeele verlangt deshalb mehr Kompetenzen für seine Beamten und vor allem zusätzliche Stellen. Zurzeit seien rund 20 seiner 680 Mitarbeiter mit den Haushaltszahlen der Mitglieder befasst. Dies sei bei 25 Mitgliedsstaaten bei weitem nicht mehr ausreichend.

In Brüssel werden die griechischen Tricks als schwere Belastung für den Stabilitätspakt bewertet. Die Kommission sei „besorgt“, ließ Währungskommissar Joaquín Almunia mitteilen. Nach Agenturberichten hat sich der Spanier aber vorerst gegen Strafen für Griechenland ausgesprochen. Athen müsse vielmehr bis November Maßnahmen treffen, „die bis Ende 2005 zur Reduzierung des Defizits führen“. DANIELA WEINGÄRTNER

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