Vom Leiden an der Baurechts-Anarchie

Berlin ist Hauptstadt der Wagenburgen, doch noch immer fehlt ihnen jede Rechtsgrundlage. In Hamburg oder Bremen gibt es längst „Wohnwagengesetze“. Doch im Herbst soll auch das Berliner Baurecht reformiert werden

Legal oder illegal? Die Rechtslage von Wagenburgen ist aufgrund kompliziert verkeilter Bundes- und Landesbaugesetze (BauGB) bis heute unklar. Zwar haben einige Länder und Gemeinden haben schon heute mobile Wohnanlagen auf ihre Weise zugelassen, doch selbst gutwillige Behörden stehen immer wieder vor handfesten juristischen Problemen. Vor allem, wenn die Nachbarn klagen wollen.

Doch in Berlin hinkt die Politik der Wirklichkeit besonders hinterher: Für die Wohnprojekte auf Rädern fehlt immer noch eine sichere Rechtsgrundlage – obwohl die Hauptstadt mit über einem Dutzend Plätzen bundesweit an der Spitze liegt. Selbst die bereits bestehende „Experimentierklausel“ in der Berliner Bauordnung greift zu kurz. Jeder einzelne Wagen müsste die Lizenz zum Wohn-Parken beantragen.

Andere Städte sind weiter. So gelten in Bremen bereits seit 1956 und in Hamburg seit 1999 eigene „Wohnwagengesetze“, in Schleswig-Holstein erklärte der Rat der Stadt Kiel eine Rollheimer-Siedlung zur Sonderbaufläche „Alternatives Wohnen“. Auch Lübeck hat mit einem Wagen-Verein einen Pachtvertrag geschlossen. In Hannover wurde 1994 ein rollendes Dorf sogar als „bauliche Anlage im Außenbereich“ genehmigt – offiziell die erste „Legalisierung“ im Bund. Als ideal kann keins dieser Modelle gelten.

Kopfzerbrechen bereitet den Fachleuten vor allem das deutsche Baurecht: Während das Bauplanungsrecht alleinige Angelegenheit des Bundes ist, ist das Bauordnungsrecht ausschließlich Ländersache. So stehen die Wagenburgen regelmäßig zwischen allen Paragrafen.

Der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (B’90/Grüne) ließ daher eine Studie zur Rechtslage erarbeiten und hat bereits mit Kollegen seiner Fraktion mögliche Schritte beraten. „Ich halte es für wichtig, dass der Bund alternative Lebensformen ins Gesetz aufnimmt. Aber Einzelheiten kann er nicht lösen“, so Ströbele. Das sei Ländersache. „Aber wir wollen auf Bundesebene ein Fenster öffnen.“

Der Anwalt Moritz Heusinger schlägt daher in einem ebenfalls neuen Gutachten für Berlin vor, die Möglichkeiten von Baugesetz und Baunutzungsverordnung zu nutzen und „durch die Ausweisung von Sondergebieten zum Ausdruck zu bringen, dass die Erprobung alternativer Lebens- und Wohnformen erwünscht ist“. Dafür müsse auch das Berliner Bauordnungsrecht geändert werden – dessen Reform in diesen Herbst ohnehin ansteht.

„Anfang November wollen wir unsere Vorschläge für eine ökologische Bauordnung vorlegen, die auch Wagenburgen umfassen soll“, sagte Barbara Oesterheld, baupolitische Sprecherin der Berliner Grünen.

Der PDS-Abgeordnete Freke Over möchte Rechtssicherheit für die Bezirke schaffen. So sei in Mitte, Pankow oder Friedrichshain-Kreuzberg die Bereitschaft vorhanden, Wagenburgen aufzunehmen. Er sehe allerdings beim Regierungspartner SPD noch „große Vorbehalte“.

TORSTEN JOHN