Mobutus Schatten über dem Kongo

In Kongos Hauptstadt Kinshasa nimmt die Gewalt zu, und Gerüchte über Putschvorbereitungen früherer Mobutu-Militärs machen die Runde. Zugleich kommen in Belgien und den Niederlanden hochrangige Mobutu-Generäle in Haft.

BERLIN taz ■ Die Mörder wollten sich ihrer Sache ganz sicher sein. Sie fesselten ihr Opfer an einen Stuhl und schossen ihm eine Kugel in den Kopf, den sie dann abschnitten, bevor sie die Leiche in Brand steckten und die ganze Villa mit dazu. Die Hinrichtung von Steve Nyembo, Personaldirektor der Steuerbehörde der Demokratischen Republik Kongo, am vorletzten Wochenende dauerte drei Stunden und beschäftige 30 bewaffnete Männer. Die Polizei, die in dem Villenviertel nachts Streife fährt, griff nicht ein.

Die brutale Hinrichtung, deren Täter bis heute nicht identifiziert sind, stellte den vorläufigen Höhepunkt einer Verbrechenswelle dar, die Kongos Hauptstadt Kinshasa heimsucht, seit dort im August eine Allparteienregierung aus den verschiedenen Kriegsparteien des zerfallenen Landes ihr Amt aufnahm. Aus allen Kreisen der sozialen Elite häufen sich Geschichten von Überfällen und Räubereien.

Nach der Ermordung Nymebos, zu dessen Beisetzung die gesamte politische Klasse erschien, kündigte die neue Regierung des Kongo harte Maßnahmen gegen die neue „Terrorwelle“ an. Aber das Ergebnis ist bisher mager. 27 „Banditen“ aus sieben Gruppierungen habe die Polizei verhaftet, wurde am Montag bekannt – darunter, so ein Zeitungsbericht, stadtbekannte Kriminelle und „unkontrollierte Polizisten und Militärs“. Eine erste Gruppe von ihnen steht jetzt vor einem Militärsondergericht und muss nach einem Schnellverfahren in den nächsten Tagen mit der Todesstrafe rechnen.

Wer hinter den Taten steht, blieb weiterhin unklar. Die Spekulationen gehen in alle Richtungen. Zunächst machten Kinshasas Medien die vielen fremden Bewaffneten verantwortlich, die mit dem Einzug von Rebellenführern aus allen Ecken des Kongo als Leibwächter nach Kinshasa gekommen waren. Aber nach Nyembos Ermordung berichteten einige Zeitungen, dass bei Verhaftungen mutmaßlicher Übeltäter vor allem Angehörige von Staatschef Joseph Kabilas Präsidialgarde ins Netz gingen. Dass Kabila letzte Woche seinen Sicherheitsberater Jean Mbuyu im Rahmen einer Regierungsumbildung zum Industrieminister degradierte, nährte Gerüchte über Machtkämpfe.

Manche Beobachter in Kinshasa fühlen sich an die Zustände von vor zehn Jahren erinnert. Damals sicherte Diktator Mobutu im damaligen Zaire seine Macht, indem er wiederholt Soldaten zum Plündern und Morden durch Kinshasa schickte, während die Parteien über Demokratisierung verhandelten. Heute, so die Mutmaßung, könnte man erneut den anlaufenden Friedensprozess durch gezielte Destabilisierung sabotieren.

Unklar ist aber, ob die Methoden Mobutus von Kabila eingesetzt werden oder sich gegen ihn richten. Denn während die Unsicherheit in Kinshasa zunimmt, mehren sich Gerüchte über Putschvorbereitungen gegen Kabila durch ehemalige Parteigänger Mobutus, dessen Regime 1997 durch Rebellen unter Laurent Kabila gestürzt wurde, Vater des heutigen Präsidenten. Sie würden in Brazzaville, die gegenüber von Kinshasa am Kongo-Fluss liegende Hauptstadt des Nachbarlandes Kongo-Brazzaville, mit Unterstützung von Teilen der dortigen Regierung einen Umsturz noch in diesem Jahr vorbereiten, heißt es in kongolesischen und belgischen Medien. Vorletzte Woche präsentierte Kongos Polizei eine Gruppe festgenommener Mitglieder von Mobutus früherer Präsidialgarde, die gestanden habe, zum Schüren von Gewalt aus Brazzaville nach Kinshasa geschickt worden zu sein. Denn wenn Kinshasa im Chaos versinkt, müsste die Allparteienregierung ihr Scheitern eingestehen, und dann könnten die Mobutisten als Retter in der Not einspringen.

Es passt dazu, dass in Belgien und den Niederlanden hochrangige Schergen der Mobutu-Diktatur festgenommen worden sind. General Baramoto, einst Kommandant von Mobutus Zivilgarde und einer seiner mächtigsten Militärführer, saß einen Monat lang in Brüssel in Gewahrsam, bis sein Antrag auf Asyl abgelehnt wurde, und schlägt sich bis jetzt weiter mit der belgischen Justiz herum. Er wird in Belgiens Medien in Zusammenhang mit den mysteriösen Mobutisten in Kinshasa gebracht. Und in den Niederlanden nahm die Polizei Oberst Nzapali fest, einen der berüchtigsten Anführer von Mobutus Präsidialgarde. Der als „König der Bestien“ bekannte Oberst soll in Kinshasa während der Schlussphase der Mobutu-Herrschaft Todesschwadronen aus südafrikanischen Söldnern geführt haben. DOMINIC JOHNSON