Eine Verfassung fürs EU-Museum?

Staats- und Regierungschefs der Union diskutieren zum zweiten Mal über die Reform der Institutionen. Fortschritte sieht jedoch allein Österreich. Fraktionen im Straßburger Parlament denken über europaweite Spitzenkandidaten für Wahl im Juni nach

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Zumindest das Präsent für die Presse zeugte beim Herbstgipfel der italienischen Präsidentschaft von Hintersinn: Die Journalisten bekamen den Presseraum, in dem sie gestern stundenlang auf neue Erkenntnisse warten, im Miniformat geschenkt. Die Pappkameraden auf dem Podium und die vergeblich Fragenden an den Mikrofonen wirkten fast wie im richtigen Leben.

Wer sich gestern bei den Delegationen umhörte, ob sich die Regierungen bei der Diskussion über die Verfassung einen Schritt näher gekommen sind, bekam überall schmallippige Antworten. Der französische Außenminister wollte lieber über den Irak sprechen und die vorbildliche Weise, in der Frankreich, Deutschland und Russland ihre Verantwortung dort wahrnehmen werden. Da Chirac und Schröder einen guten Teil des Vormittags mit Russlands Präsident Putin am Telefon verbrachten, blieb ihnen für Reformfragen ohnehin kaum noch Zeit.

Deshalb wusste auch der deutsche Bundeskanzler kaum Neues zu berichten. „Unsere Position, das Paket nicht aufzuschnüren, hat sich nicht verändert“, erklärte Schröder. Nur die österreichische Außenministerin Ferrero-Waldner ließ Zeichen von Optimismus erkennen. „Unser Ansatz, einen Kommissar für jedes Land mit Stimmrecht nach Brüssel zu schicken, beginnt zu greifen“, behauptete sie. Geholfen habe dabei, dass Kommissionspräsident Romano Prodi ein gangbares Modell aufgezeigt habe.

Natürlich wurde Schröder auch gefragt, ob die Tatsache, dass er sich am zweiten Gipfeltag vom französischen Staatschef vertreten lasse, eine neue Ära in der Geschichte der Union einläute. „Das ist ein Zeichen für exquisite Beziehungen und macht deutlich, dass wir im Interesse Europas zusammenarbeiten“, antwortete der Kanzler. Zumindest das Ratssekretariat in Brüssel scheint die neue Qualität der deutsch-französischen Achse schon als gegeben hinzunehmen. Auf der Anzeigetafel wurde der Presseraum für beide Delegationen gemeinsam ausgewiesen. Tatsächlich war dann aber doch ein Raumteiler installiert.

Was europäische Visionen angeht, hatten die Parteien im Umfeld des Gipfels wesentlich mehr zu bieten als die Regierungschefs. Sowohl Sozialisten als auch Konservative denken darüber nach, jeweils einen europaweiten Spitzenkandidaten für die Europawahl im Juni aufzustellen. Der Sieger soll Anspruch auf den Job des Kommissionspräsidenten erheben.

Die Europaparlamentarier fürchten zu Recht, dass von dem Verfassungsentwurf des Konvents bei den Regierungsverhandlungen nicht viel übrig bleibt. Der belgische Premier Guy Verhofstadt, der die liberalen Regierungschefs zu einem Gespräch eingeladen hatte, verteidigte dessen Ergebnisse. Unter den Teilnehmern habe Einigkeit bestanden, „auf der Grundlage des Konventsvorschlags zu diskutieren und innerhalb seiner Logik zu bleiben“.

Die meisten 25 Staats- und Regierungschefs scheinen diesen Rat in den Wind zu schlagen. Wie die Zeitung La Libre Belgique berichtete, soll in Brüssel ein EU-Museum auf mehr als 6.000 Quadratmetern entstehen. 2006 soll es fertig sein – in dem Jahr also, in dem eigentlich die erste Verfassung der Union in Kraft treten soll. Wahrscheinlich wird man sie stattdessen im EU-Museum ausstellen.